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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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damit gemeint ist?«
    Muschelweiß blickte ihn starr an. Sie sah schlecht aus, wie von Gespenstern gejagt, das schöne Gesicht war bis auf ihre edlen Wangenknochen eingefallen. In ihren Augen erkannte er die alte Angst und den über die Jahre zu einer tödlichen Schneide fein geschliffenen Hass. Neben ihr steckten drei Speere im Sand, die Feuersteinspitzen funkelten, und sie zog sie wie zur Sicherheit heraus und legte sie sich über den Schoß.
    »Ja«, erwiderte sie sanft, »ich verstehe es.«
    »Was haben sie damit gemeint? Sag mir das bitte. Wenn ich einen Teil davon verstehe, dann wird mir vielleicht auch der Rest klar.«
    Sie rutschte unbehaglich hin und her; er sah ihre Schulterblätter unter dem dünnen Stoff. Hatte sie in letzter Zeit so viel Gewicht verloren? Durch die Trauer über ihre Lieben? Oder durch die andauernde, nagende Angst?
    Sie winkte ab und sagte widerwillig: »Das ist schwer zu erklären, Teichläufer. Ich müsste ganz am Anfang beginnen, und ich bin mir nicht sicher, ob du -«
    »Ich weiß, ich bin sehr jung«, erwiderte er verlegen. »Aber versuche, es trotzdem zu erklären, Muschelweiß. Ich muss das wissen, es ist sehr wichtig.« Der Blitzvogel hatte wieder angefangen, in ihm zu rumpeln, noch leise zwar, wie aus der Ferne, aber das Donnergrollen kam auf ihn zu und wurde lauter. »Was haben sie damit gemeint, dass Kupferkopf dich nicht mehr jagen könnte?«
    »Kupferkopf …«, sagte sie innehaltend, als ob ihr schon der Name allein Schmerzen bereitete. Sie schluckte. Dann sprudelten die Wörter aus ihr heraus, als wollte sie die Antwort schnell hinter sich bringen. »Er hat die merkwürdige Fähigkeit, die Herzen derer, die er haben will, zu gewinnen, und wenn er sie dann dazu gebracht hat, ihn zu lieben, sind sie ihm fast verfallen. Ich war nicht das erste Mädchen, das er gejagt hat.«
    Teichläufer betrachtete ihr erbittertes Gesicht. »Da waren andere vor dir?«
    »Mindestens eine. Sie hieß Koralle. Kurz bevor er mir sagte, dass er mich haben wolle, ließ er sie fallen. Aber sie kam dauernd zu ihm zurück, bettelte ihn an, kam auf Händen und Knien angekrochen und bat ihn, sie wieder aufzunehmen. Es fiel einem schwer«, sie blickte in ihren Tee, »das mit anzusehen.«
    »Was ist aus ihr geworden?«
    Muschelweiß zuckte die Achseln. »Ich hörte, sie habe sich das Leben genommen. Ich habe nie erfahren, ob das stimmt - aber wahrscheinlich schon.«
    Im goldenen Feuerschein sah er, wie sich ihr Mund zusammenzog.
    Teichläufer blinzelte und sah beiseite. Seit der Dämmerung hatten ihn Schwärme funkelnder Moskitos und Mücken umsurrt. Er verscheuchte eine von seinem großen Zeh und versteckte seine bloßen Füße unter dem langen Gewand. Muschelweiß hatte ihre unbedeckte Haut klugerweise mit Insektenfett eingerieben. Sie roch wie der Rauch qualmender Kiefernholzfeuer. Angenehm. Teichläufer nahm einen Schluck Tee und dachte an Koralle und die seltsame Macht von Kupferkopf, der andere dazu bringen konnte, ihn zu lieben. Hexenwerk. Das musste es sein!
    »Ist er wahnsinnig?« fragte Teichläufer und bat inständig um eine klare Antwort.
    »Das behaupten sie alle. Aber ich habe das nie bestätigt gefunden.«
    »Niemals?«
    »Nein. Ich habe ihn völlig verstört erlebt, irre vor Gram und Kummer. Krank vor Sorge. Verzweifelt. Aber nicht wahnsinnig. Er war immer launenhaft, sprunghaft, wie ein Mann, der in rauer See an einem Baumstamm hängt, der sich aufschwingt und im nächsten Moment wieder hinunterfällt. Aber glaub mir, wenn er im Wellental war, wollte niemand in seiner Nähe sein. Er konnte töten, ohne nachzudenken. Ich versuchte dann immer, ihn zu besänftigen, ihn zum Lachen zu bringen.« Ganz kurz lag ein Anflug von Zärtlichkeit in ihren Augen, der aber sogleich hinter dem Schild ihrer Beherrschung verschwand. Sie hielt ihre Tasse krampfhaft umklammert.
    »Wie sonderbar«, sagte Teichläufer.
    »Was?« fragte sie wie erwachend.
    »Jetzt habe ich zum ersten Mal jemanden mit Wärme von Kupferkopf sprechen hören. Hast du ihn geliebt?«
    Für längere Zeit herrschte Schweigen, nur unterbrochen vom Anprall der Wogen und dem Winseln des Windes. Sie setzte ihre Tasse ab und packte wieder ihre Speere mit fester Hand.
    »Habe ich Kupferkopf geliebt?« wiederholte sie mit matter, fremder Stimme. »Das hat mich noch nie jemand gefragt. Noch nie in meinem Leben. Als ich zehn und drei Sommer alt geworden war, stellten die Leute einfach fest, dass wir uns liebten. Es war so offenkundig. So

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