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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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bissen sich gegenseitig in die Ohren. Jetzt standen die Bewohner allmählich auf. Orangefarbenes Licht von Zedernrindenfackeln erleuchteten viele Fenster und warfen einen bernsteinfarbenen Schein auf die massiven Klippen hinter der Stadt. Leise Stimmen drangen durch die kühle Morgenluft. War es möglich, daß ein Hohokam-Zauberer unsichtbar unter ihnen umherschritt? Einer der Sklaven? Doch wie kam ein Sklave zu so einem seltenen und kostbaren Gegenstand?
    »Ein Hexenmeister könnte ihn mit eigenen Händen angefertigt haben, du alter Narr«, tadelte sich Düne selbst. »Viele Jettsteine kommen durch die Stadt.«
    Aber wie konnte ein Sklave Jettstein erwerben? Oder stehlen, ohne aufzufallen? Nur die reichsten der Ersten Menschen konnten es sich leisten, den Verlust eines makellosen Jettsteins zu übersehen. Düne schüttelte den Kopf, um ihn freizumachen. Wenn Kriecher und Trauertaube sich nicht bald einem Reinigungsritual unterzogen, würden sie dahinsiechen, vielleicht sogar sterben. Er wandte sich zur Leiter.

23. K APITEL
    Maisfaser lief nach Süden über den festgetretenen Weg, ihr Herz raste, und sie keuchte sich die Lunge aus dem Leibe. Spannerraupe und seine blutrünstigen Krieger waren dieselbe Straße entlanggerannt, mit ihrer schaurigen Trophäe. Maisfasers Füße liefen über denselben Boden. Sie schaute auf dieselben von Wind und Wetter geformten Kuppen und Kämme, auf dieselbe endlose Ebene von Baumstümpfen, die aus dem wehenden gelben Gras ragten. Einschläge von Äxten waren auf dem ausgetrockneten Holz noch sichtbar.
    Immer wieder erlebte sie in Gedanken die letzten Augenblicke ihres Vaters und Vogelkinds und sah dabei ihre Gesichter. Das Dunkel, von Feuern erhellt, der Gestank von Pech und glimmenden Lagermatten, die herzzerreißenden Schreie von Kleine Schnecke - das alles war tief in ihr Herz gegraben.
    »Warum bin ich nicht dortgeblieben, um nach der Leiche meiner Mutter zu suchen? Um Vater und Vogelkind zu begraben?«
    Tränen trübten ihr die Sicht. Dauernd hörte sie die Stimme ihrer Mutter: »Wenn du jemals in Not bist und Hilfe brauchst…« Sie lief schneller.
    Der Weg führte sie auf eine gestrüppreiche, meldenbestandene Höhe. Der Windjunge und die gigantischen Klauen der Donnervögel hatten das Land vor ihr aufgerissen. Streifen von rot-weißem Sandstein wanden sich durch das Becken wie feingefärbte Stoffbänder. Wacholder- und Kiefernhaine bildeten grüne Linien entlang den Wassergräben.
    Sie war, mit einer Schlafpause, eine Nacht und einen Tag lang gerannt. Sie rang nach Luft, ihre Lungen brannten, und in ihrem leeren Magen saß die Angst. Die Erschöpfung lastete auf ihren Schultern wie ein Sack Steine. Sie mußte unbedingt Krallenstadt erreichen.
    Maisfaser zwang sich nachzudenken. Sie war so verstört gewesen, daß sie zunächst nur zu fliehen vermochte, aber als sie nach einer Weile wieder klar denken konnte, wurde ihr klar, daß sie nicht einfach mit ihrer Decke vor Nordlicht treten konnte; als erstes mußte sie herausfinden, was überhaupt geschehen war.
    Vor fünf zehn Sommern war Nordlicht vielleicht der Freund meiner Mutter, aber heute ist er vielleicht mein Feind.
    Jemand hatte diese Krieger beauftragt, Vogelkind zu töten. Wahrscheinlich der neue Häuptling - aber Nordlicht war der angesehenste Priester von Krallenstadt, und er mußte Bescheid gewußt haben! Und hatte nichts getan, um es zu verhindern.
    In der Nacht, als Lanzenblattdorf zerstört wurde, hatte der Krieger Spannerraupe viele fürchterliche Dinge gesagt. Er war gekommen, um einen Jungen zu jagen, den Jungen der Gesegneten Nachtsonne, und er hatte Nachtsonne eine Hure genannt. Er hatte den Namen von Vogelkinds richtigem Vater wissen wollen und schien überzeugt, daß es Nordlicht war. Das einzige, was Maisfaser genau wußte, war, daß Spannerraupe Eisenholz als Kriegshäuptling von Krallenstadt abgelöst hatte und daß niemand, nicht einmal Häuptling Schlangenhaupt, wirklich wußte, wer der Vater des verborgenen Kindes war.
    Alle Auseinandersetzungen ihrer Eltern, all das Geflüster in der Nacht - das ergab auf einmal einen Sinn. Nachtsonne hatte heimlich ein Kind zur Welt gebracht und es weggegeben. Sie mußte Maisfasers Eltern dafür bezahlt haben, Vogelkind aufzuziehen… oder Maisfaser? Sie war so verwirrt, daß sie nicht richtig denken konnte. Wem glaubte sie? Ihrer Mutter? Oder dem Kriegshäuptling von Krallenstadt?
    Ihr Vater hatte gesagt: »Ich halte es für unsere Pflicht, jederzeit bei Vogelkind zu

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