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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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gelaufen war und furchtlos ins Dunkel geschaut hatte. Er hatte die Wünsche der Hüterin des Schildkröten-Bündels respektiert und war draußen geblieben… aber er hätte gern die hohen Bergkiefern gerochen und die kleinen Wölkchen beobachtet, wie sie aus dem Eingang auftauchten und nach oben schwebten, um sich mit ihren Verwandten zu vereinen. Einmal hatte er es sogar gewagt, die Frau innen anzurufen, aber sie hatte nicht geantwortet.
    Sängerling schenkte sich eine Tasse Kiefernnadeltee ein und stützte sich auf einen Ellbogen, um zu trinken. Als er die pikante Brühe kostete, sah er Seide den schlüpfrigen Wildpfad am Seitenhang der Mesa herunterkommen. Sie ging langsam, wie in Gedanken versunken. Das lange schwarze Haar flog um ihr schönes Gesicht. Im Zwielicht wirkte ihr goldener Teint lavendelfarben. Geduckt wich sie Kiefernästen aus und lächelte ihm zu, aber er sah den gehetzten Ausdruck in ihren Augen. Ihre Verwundbarkeit lag so offen zutage wie die Steine auf der blankgescheuerten Mesa. Noch nie hatte ihn eine Frau so angeblickt wie sie - als wäre er ihr einziger Freund auf der Welt. Er fühlte sich auf seltsame Weise wohl dabei.
    Er lächelte zurück. »Die Suppe ist fertig. Ich hoffe, du hast Hunger. Ich habe genug für fünf Leute gemacht.« Er beugte sich vor, um mit seinem Löffel in dem dicken Maismehlbrei zu rühren. Sie kniete vor dem Teekessel und schenkte sich eine Tasse ein. »Ich habe soviel Hunger, ich könnte die Rinde von einer Kiefer abkauen. Wir sind heute lange marschiert.« Sie setzte sich mit untergeschlagenen Beinen neben ihn in den Sand und seufzte. Im Flackerlicht der Flammen färbte sich ihr grünes Kleid dunkelorange. »Wie fühlst du dich?«
    »Ein bißchen wackelig. Eigentlich erschöpft.«
    »Es dauert eine Weile, bis du nach dem Fasten wieder zu Kräften kommst.«
    Sängerling nickte zustimmend und füllte ihre beiden Schalen mit Brühe. Seine Finger strichen leicht über ihre, als er ihr die Schale reichte. »Es ist dick geworden. Ich hoffe, es schmeckt dir.« Seide schnupperte an ihrer Schale. »Das riecht herrlich, Sängerling. Vielen Dank, daß du das Abendessen gemacht hast, als ich im Wind spazierenging. Ich hätte dir eigentlich hier helfen sollen.« »Ich freue mich, daß du dir die Zeit genommen hast, um spazierenzugehen. Du hast ganz glücklich ausgesehen da oben.«
    Ihr zartes Lächeln rührte ihn. »Ein Weilchen war ich's auch.«
    »Außerdem«, fügte er hinzu, »koche ich gern. Zu Hause, im Anemonendorf, habe ich immer Abendessen für meine Mutter gemacht. Das fehlt mir… und sie fehlt mir auch.«
    Seide nahm ihren Löffel und fing an zu essen, aber ihre Augen waren starr. Sie kaute langsam, den Blick auf den kupfernen Widerschein des Feuers gerichtet, das über die grünen Rohrkolben tanzte. Alte Kiefernzapfen lagen auf dem Grund des Teichs und verkantet auf leuchtend weißen, schwarzen und braunen Kieseln.
    Sie denkt an ihre Mutter. Sein Gewissen gab ihm einen Stich, weil er sie daran erinnert hatte. Er löffelte den Maisbrei und sah zu, wie sich die orangefarbenen Wolken dunkelgrau-purpurn verfärbten. Das Bienenkraut und die Zwiebeln gaben dem Maismehl einen pikanten Geschmack.
    Es wurde dunkler, und der Windjunge dämpfte sein Geschrei zu einem schwachen Gesäusel ab, stöhnte durch die Kiefern und raschelte durchs Gras. Kräuselwellen liefen über die feuerbeschienene Oberfläche des Teichs.
    Sie aßen schweigend. Seide starrte auf etwas, was Sängerling nicht sehen konnte. Er beobachtete sie aus den Augenwinkeln.
    Als sie fertig war, setzte sie die Schale ab und zog die Beine an. Sie legte die Arme darum und stützte ihr Kinn auf die Knie. Das lange Haar umrahmte ihr Gesicht wie ein glänzender schwarzer Vorhang. Um sich von den Sehnsüchten abzulenken, die sie in seinem verräterischen Körper wachrief, sagte er: »Du scheinst ganz weit weg.«
    »Hmm … bin ich wohl auch.«
    »Woran denkst du?«
    Seide rieb ihr Kinn auf dem Stoff über ihren Knien und legte den Kopf schräg, um ihn anzusehen. Der Feuerschein betonte die breiten Backenknochen und die spitze Nase. »Sängerling, vermißt du deine Freunde?«
    Er kratzte mit seinem Löffel die letzten Breireste aus der Schale. Als er sie gegessen hatte, schwieg er eine Weile und sagte dann: »Ich hatte keine Freunde, Seide. Jedenfalls keine in meinem Alter.« Sie hob die Brauen. »Nicht mal einen?«
    »Meine Mutter und Schwarzer Tafelberg, das waren meine Freunde. Aber… das war auch schon alles.« Er

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