Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
Vom Netzwerk:
sie hatte ihrer Mutter versprochen, nichts zu sagen. Sie schaute beiseite, packte die Feuersteine wieder in ihr Bündel, unter die herrliche türkisbesetzte Decke, und lehnte sich an das Bündel, um das Feuer über das hoch aufragende Kliff flackern zu sehen. Der Schein glich geräuschlos herabstürzenden goldenen Schwingen.
    »Maisfaser?« Vogelkind setzte sich mit gekreuzten Beinen neben sie. Das Haar fiel ihm über die schmächtige Brust. »Ich habe nachgedacht.«
    Maisfaser griff nach den Tontassen, da sie neben dem Dreifuß saß, und benutzte die ihre als Schöpfgerät. Sie füllte die Tasse ihres Bruders und reichte sie ihm, bevor sie sich selbst einschenkte. Sie roch an dem dampfenden Gebräu, und das kräftige Hagebutten-Aroma stieg ihr in die Nase. »Worüber?«
    Vogelkind sah sie über den Rand seiner Tasse an. »Weißt du noch viel von der Zeit, als wir klein waren?«
    Die Kälte, die vom Stein ausging, biß ihr wie mit winzigen Zähnen in die Beine. Maisfaser setzte sich anders hin. »Nein, nicht viel.« Und wie gern wüßte ich mehr.
    »Weißt du noch, daß die Eltern gesagt haben, wir seien in Krallenstadt geboren worden?« »Ja. Und?«
    »Ich erinnere mich an vieles«, sagte er, »aber nicht an Krallenstadt.«
    »Kannst du auch gar nicht. Mutter hat gesagt, wir sind gleich nach unserer Geburt von dort weggezogen. Es wäre merkwürdig, wenn du dich daran erinnertest.«
    Der Windjunge atmete kaum in dieser Nacht, er strich nur zärtlich über den Wacholder und die Kiefernnadeln und fachte das Feuer an. Den Geruch eines fernen Regens brachte er mit. »Ob sich da noch jemand an uns erinnert?« fragte Vogelkind.
    »Jemand bestimmt.«
    Seine Wimpern glänzten im Feuerschein, als er sie ansah. »Ich hab mich gefragt, ob Eisenholz einen von uns beiden … wiedererkennt.«
    Angst ließ sie erschauern. »Und ich frage mich, ob uns einer von Eisenholz' Feinden wiedererkennt.« Vogelkind spielte nervös mit dem Besatz seiner Decke. »Ich weiß, es ist gefährlich, aber ich -« »Am Ende könnten wir tot sein, du oder ich.«
    Vogelkind verzog das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse. »Maisfaser, ich muß wissen, wer meine Eltern sind. Ich … ich will weg. Ich will Eisenholz selbst fragen.«
    Maisfaser drehte die beiden Kaninchenspieße, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. »Vogelkind, ich habe mich selbst in den letzten zwei Tagen vieles gefragt, und die Frage, die mir am meisten angst macht, betrifft Eisenholz. Ich meine, hast du dich nicht auch gewundert, warum er sein Kind aufgegeben hat?«
    »Ja.«
    »Er war der Kriegshäuptling, damals schon. So ein mächtiger Mann hätte doch sein Kind behalten, wenn er gewollt hätte. Oder nicht?«
    »Du meinst, er wollte mich loswerden?« Vogelkind sah unglücklich drein.
    Maisfaser nahm den angekohlten Stock, mit dem sie im Feuer gestochert hatte, und zeichnete damit verwischte schwarze Linien auf den Sandstein am Boden. Es sah aus wie ein Nest junger Schlangen. »Dich oder mich.«
    »Vielleicht wollte er mich gar nicht aufgeben, vielleicht hat ihm nur jemand gesagt, er müsse es tun.« »Wer denn?« fragte Maisfaser spöttisch. »Nur ein Narr würde es wagen, dem Kriegshäuptling zu sagen, er solle sein Kind loswerden.«
    »Ein Narr oder jemand, der mächtiger ist als er.«
    Maisfaser mußte sich bezwingen, um sich nicht das Bündel vom Rücken zu nehmen. Die türkisbesetzte Decke war in ihren Träumen erschienen, als hätte sie eine Seele und wollte ihr etwas sagen. »Wer?«
    Vogelkind beugte sich zu ihr und flüsterte: »Krähenbart. Eisenholz hätte alles getan, was der Häuptling ihm befiehlt.«
    »Möglich. Aber warum sollte die Gesegnete Sonne so etwas verlangen?«
    »Inzest?«
    Die Angst ließ sie erbeben. »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Wenn Inzest im Spiel gewesen wäre, dann hätten sie das Kind einfach umgebracht. Oder -«
    »Es war vielleicht auch gar nicht Inzest«, sagte Vogelkind. »Vielleicht hat Eisenholz sich mit einer Frau der Ersten Menschen gepaart. Ein Kind aus solcher Verbindung würde große Schande über die Ersten Menschen bringen.«
    Maisfaser betrachtete die brutzelnden Hinterläufe des Kaninchens. Das war in der Tat sehr plausibel. Sie sah ihren Bruder aus zusammengekniffenen Augen an. »Wer von den Ersten Menschen in Krallenstadt würde sich dazu herablassen, sich mit einem niedrig geborenen Mann vom Bären-Clan zu paaren?«
    Vogelkind runzelte die Stirn und schaute in seine Tasse. »Ich hab in meinem ganzen Leben nur einen von den

Weitere Kostenlose Bücher