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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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sehen.«
    »Er wird jedenfalls bald hier sein. Da kann ich mich noch etwas ausruhen.«
    Er trippelte von der Straße und setzte sich auf einen knorrigen alten Baumstumpf. Einst eine riesige Goldkiefer, war der Baum aber, wie so viele hohe Bäume, zu Bauholz und Brennholz verarbeitet worden. Das Sonnenlicht des frühen Morgens fiel voll auf Dünes rechte Gesichtshälfte, vertiefte die Falten und hob die Altersflecken auf der Kopfhaut hervor. »Dinge in der Nähe kann ich nicht so gut erkennen, aber ferne Dinge sehe ich mit den klaren Augen einer Antilope.« Er winkte mit seinem Wanderstab. »Der Läufer ist ein Junge.«
    Unmutig hielt Eisenholz noch einmal Ausschau. Zwei Raben flatterten krächzend über ihn hinweg, aber sonst war da nichts, was sich bewegte. Er schüttelte den Kopf. »Meine Augen sind nicht mehr, was sie einmal waren.«
    Düne hielt sein altes Gesicht in die wärmende Sonne und seufzte. »Du hast jetzt fünfundvierzig Sommer gesehen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    Düne brummte vor sich hin. »Das ist nicht sehr alt, Eisenholz, obwohl es stimmt, daß die meisten in deinem Alter schon tot sind. Und ich fürchte, noch viele werden vermutlich noch früher sterben, wenn Krähenbart tot ist.«
    »Weil Schlangenhaupt dann den Platz seines Vaters einnimmt?«
    »Der Junge ist ein Narr.«
    »Na ja, er liebt die Schlacht tatsächlich«, sagte Eisenholz unverbindlich. Er hatte Schlangenhaupt bei vier Streifzügen mitgenommen und betete darum, das nicht mehr erleben zu müssen. In den schwarzen Augen des Jünglings hatte sich ein unmenschliches Glitzern gezeigt, sobald er Blut sah. Für den wirklichen Kampf hatte er nicht viel getaugt, sich eher zurückgehalten, bis der Kampf gewonnen war. Dann griff er ein, dann schwelgte er im Rausch, die Verwundeten zu töten. Eisenholz hatte viele Greuel erlebt, aber manchmal war es ihm beim Anblick von Schlangenhaupt übel geworden. Doch er wird die neue Gesegnete Sonne sein.
    Düne verzog das Gesicht, als hätte er auf Bitteres gebissen. »Unheilvoll. Die Grausamkeit auf Raubzügen wächst. Die Dörfer kämpfen nicht mehr um Frauen und Nahrung, sondern einfach aus Haß. Ich fürchte, Schlangenhaupts Hochmut schürt das Feuer, bis die Flammen des Krieges lodern.« Eisenholz schnitzte an seinem Wacholderstab. »Das erwarte ich auch, Düne.«
    Er konnte Schlangenhaupt nicht dienen. Wollte es auch nicht. Angesichts seines Alters könnte der Junge ihn sogar entlassen. Seine fünfundvierzig Sommer hatten in der Tat ihren Tribut gefordert, und das betraf nicht nur sein Augenlicht. In kalten Nächten, wie in der gerade vergangenen, taten ihm die Knochen furchtbar weh, und er mußte sich eingestehen, daß er bei längerem Laufen Atembeschwerden hatte. Seine Kräfte hatten wirklich nachgelassen.
    Düne zog die buschigen weißen Brauen zusammen. »Du wirst nicht länger Kriegshäuptling sein, nicht wahr?«
    Eisenholz lächelte schwach. Er schaute auf den Stab, der ein Stilett werden sollte. »Da gibt es jüngere Männer, die Schlangenhaupt jetzt sicher in seinem Dienst haben will.«
    »Wie Spannerraupe?«
    »Ja. Ein guter Krieger, tapfer und bedächtig. Und er gehört zu den Ersten Menschen.« Er seufzte. »Es ist schon seltsam, wie sich die Dinge im Leben fügen. Ich hatte angenommen, daß Verhüllt-Seinen-Schwanz mein Nachfolger wird. Oder vielleicht Fichtenzapfen. Jetzt ist der eine tot und der andere wahrscheinlich auch.«
    »Spannerraupe ist nur vier Sommer jünger als du, Eisenholz.«
    »Ja, aber er ist noch stark. Ich … ich nicht mehr.« Eisenholz blickte noch einmal die Straße hinunter. Der Nebel löste sich unter der Sonnenwärme allmählich auf, zerteilte sich in Fetzen, die zur Canyonkante emporstiegen. »Spannerraupe hat mir gut gedient. Ich glaube, er verdient meine Stelle.« »Aber er hat nicht deinen Kopf. Er denkt die Sachen nicht zu Ende.« Düne trat gegen einen alten, sonnengebleichten Kiefernzapfen, der gegen seinen Baumstumpf gerollt war. Der Zapfen prallte an der niedrigen Mauer entlang der Straße ab. »Als Junge hat er immer den noch nicht flüggen kleinen Vögeln die Federn ausgerupft. Hast du das gewußt? Im Frühling, als die Kleinen gerade fliegen lernten, rannte er hinterher, wenn sie von ihm weghüpfen wollten. Er fing sie und brachte sie nach Krallenstadt, rief seine Freunde und rupfte den kleinen Vögeln die Federn aus, eine nach der anderen. Sie starben natürlich. Spannerraupe hat einen grausamen Zug. Ich habe ihn nie gemocht.« »Dann habt ihr ja beide

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