Voyager 008 - Cybersong
an den
Vulkanier.
»Wir sollten die Gefahr eliminieren, Captain. Es handelt sich
um ein künstliches Geschöpf, das nicht die gleichen Rechte hat
wie ein lebendiges Wesen. Wenn wir es vernichten, so löschen
wir kein Leben aus. Zweifellos bewahrt die Zerstörung der KI
viele Personen vor dem Tod. Es ist logisch, eine Maschine zu
opfern, um Leben zu erhalten.«
»Die KI mag nicht biologischer Natur sein, Mr. Tuvok, aber
sie stellt eine intelligente Entität dar«, entgegnete Chakotay.
»Sie ist sich ihrer eigenen Existenz bewußt und erfüllt damit
eine der wichtigsten Voraussetzungen, um als intelligentes
Leben eingestuft zu werden.«
»Sie bleibt eine Maschine«, beharrte der Vulkanier.
»Ja, sie ist eine Maschine«, räumte Chakotay ein. »Aber sie
denkt und fühlt. Sie hält sich selbst für ein lebendiges
Individuum. Es wäre Mord, sie umzubringen.«
»Aber wenn die KI nicht eliminiert wird, bekommt sie
Gelegenheit, weitere Reisende anzulocken und zu töten«, sagte
Tuvok. »Es ist eine logische – und auch ethische –
Entscheidung, eine Person zu opfern, um viele andere zu
retten.«
»Es gibt unterschiedliche Auffassungen von Ethik«, erklärte
Chakotay in einem bedeutungsvollen Tonfall.
»Die Entscheidung liegt nicht bei Ihnen, sondern bei mir«,
stellte Janeway fest. »Wenn wir nun die Besprechung fortsetzen
und weitere Informationen sammeln könnten… Hat Fähnrich
Mandel inzwischen das Bewußtsein wiedererlangt?«
»Ja, Captain«, sagte Kes. »Übrigens erwartet der Doktor
Fähnrich Kim zur Abschlußuntersuchung in der
Krankenstation.«
Harry Kim stöhnte. »Dazu habe ich keine Zeit. Zuerst muß ich
die Schutzbarrieren in unseren Basisprogrammen
vervollständigen und Chefingenieur Torres dabei helfen, die
neue Energie ins Replikatorsystem einzuspeisen. Anschließend
finde ich vielleicht Gelegenheit, dem Doktor einen Besuch
abzustatten.«
»Sie werden sich sofort nach dieser Besprechung in der
Krankenstation melden«, sagte Janeway. »Ich begleite Sie, da
ich ohnehin mit Fähnrich Mandel reden wollte.«
Paris warf Kim einen mitfühlenden Blick zu.
»Ich komme mit, Captain – wenn Sie gestatten«, sagte Kes.
Chakotay fragte sich, worüber Kes mit Janeway sprechen
wollte und welche Auskünfte Mandel geben würde. Voller
Anteilnahme sah er zur Kommandantin. Als wenn sie nicht
schon genug Probleme hätte, dachte er. Mandel kann eine ziemliche Nervensäge sein, wenn sie gesund ist. Wenn es ihr
schlecht geht, wird sie sicher noch viel unerträglicher. Chakotay schauderte innerlich – und unterdrückte dann ein Lächeln. Es
brachte auch Vorteile mit sich, in der Kommandohierarchie an
zweiter Stelle zu stehen.
So sehr er Janeway derzeit auch bemitleidete: Er verstand
ihren Wunsch, mit Mandel zu reden. Janeway hatte keinen
direkten Kontakt mit der KI hinter sich, und sie brauchte
Informationen von jedem, der über entsprechende Erfahrungen
verfügte. Chakotay bedauerte, daß auch er zu jener Kategorie
gehörte. Unglücklicherweise war bereits ein Schaden angerichtet
worden, der sich nicht beheben ließ: Die künstliche Intelligenz
hatte ihn mit ihrem Zorn infiziert.
Oder stammte das Gefühl aus seinem eigenen Innern? Als der
Erste Offizier über diese Frage nachdachte, erkannte er
plötzlich, daß sein Groll nicht allein der KI galt. Der Ärger
bezog sich viel mehr auf den Umstand, daß er nicht mehr genau
zwischen seinen eigenen Emotionen und den fremden zu
unterscheiden wußte. Er konnte seinem Sinn für die Realität
nicht mehr vollständig vertrauen.
Bei den Schutzgeistern und Seelenfreunden sah die Sache ganz
anders aus. Chakotay wußte immer, was von ihnen kam und was
ihm selbst gehörte. Sein eigener Schutzgeist bewirkte nicht etwa emotionales Durcheinander, sondern brachte Frieden und die
Botschaft, daß er nur ruhig werden mußte, um Lösungen für
aktuelle Probleme zu finden.
Das galt auch für diese Situation. Wenn er die nötige innere
Ruhe fand, war er bestimmt in der Lage, die Antworten auf alle
Fragen zu sehen.
Doch er zögerte, seinen Seelenfreund zu rufen, solange die KI
jederzeit eine mentale Brücke zu ihm bauen konnte. Chakotays
geistige Welt stellte etwas sehr Persönliches und Privates dar,
das er nicht einmal mit seinen besten Freunden teilen wollte –
geschweige denn mit einem Wesen, das so unreif und
unausstehlich war die KI.
Unausstehlich? Unreif? Ich zeige Ihnen, wer hier über solche Dinge befindet. Ich
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