Voyager 018 - Seven of Nine
ungenutzt verstreichen
lassen?«
Überrascht dachte Seven an das kleine Katzenwesen. Sie
konnte sich nicht vorstellen, dass Keela Selbstmord beging.
Auch nicht die stolze, würdevolle Druana. Oder Rhiv, die so
voller Leben und Liebe steckte. Oder der bis zum letzten
Augenblick kämpfende Amari.
»Nein«, sagte sie langsam. »Das würde sie bestimmt nicht.«
»Dann bleib am Leben und kämpfe gegen den Schmerz an.«
Annika trat so dicht an Seven heran, dass nur noch eine
Handbreite sie voneinander trennte. Sie roch sauber und rein,
wie frischer Blütenduft, und der Fäulnisgestank verflüchtigte
sich.
Der Geruch wirkte sonderbar, bewirkte ein seltsames Stechen
in Sevens Herz.
»Gibt nicht nach. Bring uns nicht um.«
Seven schnappte nach Luft, und tief in ihrem Innern zerbrach
etwas. »Nein, ich töte uns nicht!« schluchzte sie und umarmte
das Kind. Annika schlang ebenfalls die Arme um sie. Seven
vergrub ihr Gesicht in den blonden Locken und atmete den
reinen Duft des Mädchens tief ein. »Wir bleiben am Leben«,
versprach sie.
Hinter Annika flatterten vierzehn Raben und krächzten voller
Freude.
Und Imraak, zusammengerollt in einer Ecke des Frachtraums
Eins, musste zum zweiten Mal in seinem Leben eine Niederlage
einstecken.
15
Als Fähnrich Kim genau drei Stunden später eintraf, hatte sich
Seven völlig in der Gewalt. Sie trug nicht mehr das rote Kleid,
sondern ihren üblichen braunen Einteiler. Das Haar war
gekämmt und am Hinterkopf zusammengesteckt. Mit kühlem
Interesse nahm sie Kims Reaktion zur Kenntnis: kurze
Bestürzung, die aber sofort wieder aus dem Gesicht verschwand.
Die besondere und fast tödliche Welle aus Verzweiflung, die
zuvor fast alle Vernunft fortgespült hatte, war bezwungen.
Seven dachte jetzt mit einer gewissen Verlegenheit an sie
zurück, auch an ihr übertrieben sentimentales Verlangen danach,
anderen Leuten zu gefallen. So etwas war irrelevant. Sie gab
sich so distanziert wie früher, als Kim den Frachtraum betrat,
hoffte dabei, dass er ihr früheres Gespräch einfach vergaß.
»Möchten Sie jetzt etwas essen?«, fragte er.
Sie spürte die Leere in ihrem Bauch. »Ja«, bestätigte sie. »Ich
habe Hunger.«
Neelix lächelte, als sie den Speiseraum erreichten. »Es freut
mich, Sie wiederzusehen… «, begann er.
»Ich bin Seven of Nine«, sagte sie.
»Oh. Wollte nur sicher gehen. Es kann nie schaden zu wissen,
mit wem man redet, oder?« Seven gelangte zu dem Schluss,
dass er sich auch darüber freute, sie zu sehen. Es ging ihm nicht
nur um Annika Hansen. »Kommen Sie. Ich habe den Doktor
gefragt, wie es Ihnen geht, und er meinte, Sie kämen nach der
Regeneration hierher, um etwas zu essen. Wie fühlen Sie sich?«
Seven dachte über die Frage nach. »Es geht mir gut«, sagte sie
schließlich, und das entsprach der Wahrheit. Seit dem Beginn
der Halluzinationen hatte sie sich nicht mehr so ruhig gefühlt.
Wenn jetzt auch noch die fünfzehn Vögel verschwunden
wären… Dann hätte sie wirklich glauben können, geheilt zu
sein. Die Erinnerungen kehrten zurück, und sie entsann sich
auch daran, nie viel von den ergänzenden Nährstoffen des
Talaxianers gehalten zu haben. Trotzdem nahm sie an einem der
Tische Platz.
»Seven… « Kim blieb stehen. »Ich muss zu meinem Posten
zurück. Ist… ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Ja«, antwortete sie. »Ich suche die Krankenstation auf, sobald
ich hier Nahrung zu mir genommen habe. Der Doktor wies
darauf hin, meine psychische Rekonvaleszenz sei gut genug
vorangekommen, um es mit neuralen Stimuli zu versuchen.«
Der Fähnrich lächelte schief. »Ja, Sie haben sich wirklich gut
erholt.« Er zögerte und schien noch etwas hinzufügen zu wollen,
überlegte es sich dann aber anders und ging.
Neelix kehrte zurück und wirkte enttäuscht. »Fähnrich Kim
musste gehen? Wie schade. Heute ermöglicht meine Küche ganz
besondere kulinarische Erlebnisse. Zur Auswahl stehen mit
Tekkabeeren gefülltes Gebäck, heiße Gemüsesuppe voller
Nährstoffe und… « Er zwinkerte Seven zu. »… Ihre
Lieblingsspeise, Schokoladenkuchen!«
Mit einem eleganten Schwung zog er die Serviette vom
Tablett. Seven bemerkte nicht nur die erwähnten Speisen,
sondern auch noch etwas anderes – eine kleine Schale mit
Körnern. Fragend wölbte sie die Brauen.
»Das Vogelfutter ist für Ihre kleinen Freunde«, sagte Neelix.
Seven spürte, wie ihre Wangen zu glühen begannen. »Sie
verspotten mich«, warf sie
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