Voyager 018 - Seven of Nine
auch immer der
Grund für die Halluzinationen sein mochte: Seven litt sehr, und
die Crew litt mit ihr.
Der Fähnrich seufzte und verließ den Frachtraum, um zur
Brücke zurückzukehren.
Als sich das Schott hinter ihm geschlossen hatte, öffnete Seven
die Augen. Selbst diese geringe Bewegung fiel ihr schwer – ihr
Körper schien nicht mehr stark und geschmeidig zu sein,
sondern schwer und unbeholfen. Es war ihr lieber, die Augen
geöffnet zu halten. Wenn sie die Lider schloss, schienen die
Erinnerungen neues Leben zu bekommen. Sie sah die
Ermordung von Keelas Mutter, erlebte die Amputation von
Amaris Arm und beobachtete das Entsetzen in Rhivs Gesicht,
als sie die Kinder an sich drückte und vergeblich versuchte, sie
vor dem Grauen zu schützen, das vom Himmel herabgekommen
war.
Nach Kovans Selbstmord hatte Seven den Doktor aufgesucht
und ihn gebeten, sie von dem Gefühl zu befreien, das sie erlebte.
Er meinte, dazu sei er nicht imstande. Und er fügte hinzu, sie
müsste sich mit dem Kummer abfinden und Geduld haben –
irgendwann ließe er nach. Nun, er hatte Recht behalten. Nach
einer Weile rückte Kovans Tod aus dem Mittelpunkt ihrer
Überlegungen, und ›sie setzte ihr Leben fort‹, wie es die
Menschen nannten.
Aber diese Erinnerungen… Seven stöhnte, sank langsam zu
Boden und tastete mit zitternden Händen nach den Wänden des
Alkoven. Sie hatte so viel Leid verursacht, so viele Leben
ruiniert… Und alles nur, weil sie eine Borg gewesen war,
damals, heute und für immer.
Eine schwere Bürde. Und ihr Gewicht nahm zu…
Übelkeit erfasste sie, als sie wieder den Gestank von Fäulnis
wahrnahm. Seven zwang sich, ruhig zu bleiben. Verzweifelte
Aktivität führte nicht zu den gewünschten Resultaten. Sie
musste effizient sein, um einen Erfolg zu erzielen.
Ja, dachte Imraak. Er hatte sich in einer Ecke des Frachtraums Eins zusammengerollt, in Lumpen gehüllt. Die von Janeway
angebotenen Decken hatte er abgelehnt - er hielt an jenen
wenigen Dingen fest, die von seiner Heimatwelt übrig waren.
Die spielenden Kinder bemerkten ihn nicht, und der törichte
Tamaak führte ein mentales Gespräch mit Shemaak. Niemand
schenkte ihm Beachtung.
Es ist schwer, damit zu leben, nicht wahr, Seven? Solche Pein.
So viel Leid. Und es ist alles deine Schuld, deine Schuld…
Es war alles ihre Schuld. Und es gab keine Möglichkeit, dafür
zu sühnen. So oft sie auch versucht hatte, die komplexen
Konzepte von Erbarmen und Vergebung zu verstehen – es war
ihr nie gelungen. Seven dachte in Begriffen von Effizienz, Logik
und Ausgewogenheit. In einem solchen System gab es keinen
Platz für Vergebung. Und wie sollte sie sich selbst vergeben? Ihr
fehlten die mentalen und emotionalen Werkzeuge, um mit so
etwas fertig zu werden.
Aber sie konnte dafür sorgen, dass sich solche Dinge nie
wiederholten. Es gab eine Möglichkeit, das zu gewährleisten.
Seven of Nine stand auf, wankte durch den Frachtraum und
suchte nach geeigneten Werkzeugen. Eine Enttäuschung
erwartete sie: Nichts war scharf genug. Schließlich begann sie
damit, Behälter zu öffnen und zu durchsuchen, aber nirgends
fand sie Messer oder Waffen. Die kleinen Container enthielten
nur Proben von…
Ja. Vor einigen Monaten hatten sie Proben von einer bis dahin
unbekannten geologischen Formationen genommen. Das
Felsgestein war härter als jede andere Substanz. Die Bewohner
jenes Planeten errichteten daraus Häuser, die Jahrhunderte
überdauerten. Doch dieser besondere Stein – die Einheimischen
nannten ihn ›Gesegneten Stein‹ und hielten ihn für ein göttliches
Geschenk – zerbrach in spitze, scharfkantige Fragmente, wenn
man genau im richtigen Winkel auf ihn einschlug. Die gleiche
Substanz eignete sich sowohl für den Bau praktisch
unzerstörbarer Häuser als auch für die Herstellung von Waffen.
Seven spürte eine seltsame Nervosität, als sie nach dem
hellblauen Stein griff. Sie untersuchte ihn, drehte ihn hin und
her. Wo befand sich die richtige Stelle? Es glühten nur wenige
Leuchtkörper im Frachtraum. Das Halbdunkel half Seven, sich
bei der Regeneration zu entspannen, aber jetzt wünschte sie sich
mehr Licht.
Mit den Fingerkuppen strich sie über den Stein und suchte
nach dem ›leitenden Riss‹, den ihr die Einheimischen gezeigt
hatten.
Ah, dort war er. Ja. Ein ordentlich Schlag mit einem festen
Gegenstand würde genügen. Seven griff in den Behälter, holte
einen zweiten Gesegneten Stein
Weitere Kostenlose Bücher