Voyager 023 - Endspiel
versuchte hatte, Crewmitglieder umzustimmen, und sie
kannte auch die Antworten.
Im Konferenzzimmer herrschte ein Durcheinander aus
Kaffeetassen, Wassergläsern, Handcomputern und Personen. Sie
hatten alle Möglichkeiten analysiert und sich dann geeinigt, wie
eine Gruppe von Chirurgen, die gemeinsam einen Patienten
operieren wollte.
Janeway saß neben Chakotay. Außerdem hatten Paris,
B’Elanna, Kim, der Doktor, Tuvok und Seven am Tisch Platz
genommen. Admiral Janeway wahrte einen gewissen Abstand
zu den anderen. Der Monitor zeigte ein Bild des Transwarp-
Zentrums – selbst in dieser extrem verkleinerten Darstellung
wirkte es monströs.
»Sobald wir im Innern sind, feuern wir einen Schwarm
Transphasen-Torpedos ab«, sagte Tuvok.
»Sie sind darauf programmiert, gleichzeitig zu explodieren«,
fügte Seven hinzu.
»Wenn die Torpedos die Abschirmung durchdringen, sollten
die Tunnel in einer Kettenreaktion kollabieren.«
Janeway atmete tief durch und versuchte, ihre Gedanken zu
ordnen. Eine lange Besprechung nach einem anstrengenden Tag
lag hinter ihnen. Sie wünschte sich, dass eine Person alles
zusammenfasste – das verbale Hin und Her setzte sie
zusätzlichem Stress aus. Wie seltsam: Sie konnten den Angriff
auf das Transwarp-Zentrum nur mit Hilfe der Technik
durchführen, die ihr älteres Selbst aus der Zukunft mitgebracht
hatte, und ein derartiger Einsatz widersprach den Absichten der
Admiralin.
»Wir müssen die Anlage in weniger als zehn Sekunden
verlassen, um der Schockwelle zu entgehen«, sagte Tuvok, als
der Bildschirm den simulierten Kollaps des Zentrums zeigte.
Was musste sonst noch gesagt werden? Vielleicht ließ sich der
Plan mit Erfolg durchführen. Wenn nicht… Dann waren es ihre
ruhmreichen letzten Minuten. Dann starb ihre Legende mit
ihnen und niemand würde jemals erfahren, was zum Ende der
Voyager und ihrer Crew geführt hatte.
Milliarden von Leben. Ganze Völker, die sich entwickelten
und nicht ahnten, dass sie Futter für die Borg waren. Wenn der
alles umfassende Assimilierungsprozess so weiterging wie
bisher, gab es in der Galaxis irgendwann nur noch
Lebensformen, die zum Kollektiv gehörten. Nun, in dem Fall
existierte auch der Tod im klassischen Sinn nicht mehr. Aber für
richtiges Leben gab es dann keinen Platz, ebenso wenig für
Liebe, Ehrgeiz, dem Streben nach Verbesserung, für Fehler und
die Fähigkeit, aus ihnen zu lernen, für neue Größe und neue
Träume.
War es die Sache wert?
Janeway schloss die Hände um die Armlehnen ihres Sessels.
»Vor langer Zeit«, begann sie ernst, »habe ich eine
Entscheidung getroffen, die uns im Delta-Quadranten stranden
ließ. Ich bereue sie nicht. Aber damals kannte ich Sie nicht alle
und die Voyager war nur ein Raumschiff. Heute ist sie viel mehr: unser Zuhause.«
Sie zögerte, um festzustellen, wie diese Worte auf ihre
Zuhörer wirkten. Tuvok zeigte die einzige Reaktion: Er wölbte
die Braue bei dem Ausdruck ›nur ein Raumschiff‹.
Vielleicht sollte sie damit aufhören, die anderen zu ködern.
»Ich weiß, dass ich Ihnen befehlen könnte, diesen Plan
auszuführen«, fuhr Janeway fort und ihre Stimme klang dabei
sanfter. »Niemand von Ihnen würde auch nur für eine Sekunde
zögern. Aber ich erteile Ihnen keine derartigen Anweisungen.
Sie kennen die Besatzungsmitglieder, die in Ihren Abteilungen
arbeiten, und Sie hören die Stimme Ihres Herzens. Wir beginnen
nur dann mit dieser Aktion, wenn alle Anwesenden
einverstanden sind. Niemand wird Sie weniger respektieren,
wenn Sie Einwände erheben.«
Wem machte sie etwas vor? Sich selbst? Vielleicht. Den
anderen? Nein – sie wussten, dass es nur eine Antwort geben
konnte. Eigentlich war dies nur eine Show, die der Admiralin
galt. Damit sie sich nie wieder einmischte.
»Captain?«, fragte Harry Kim. Vielleicht verstand er nicht
ganz, worum es Janeway ging.
Nein, er bemerkte das subtile Spiel nicht. Janeway bewunderte
seine Unschuld und musterte den jungen Mann. In seinem
jungenhaften Gesicht und den arglosen Augen sah sie Myriaden
Seelen, deren Zukunft von ihnen abhing.
»Nur zu, Harry«, sagte sie.
Kim zögerte und suchte nach den richtigen Worten. »Ich
glaube, ich kann sagen, dass sich niemand mehr als ich eine
Heimkehr gewünscht hat. Aber wenn ich daran denke, was wir
gemeinsam durchgemacht haben… Vielleicht kommt es nicht
auf das Ziel an, sondern auf den Weg.« Er zögerte erneut und
sah die Anwesenden der Reihe nach an.
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