Voyager 023 - Endspiel
erwarten.
»Commander Barclay und der Doktor werden Sie weiterhin
besuchen«, sagte sie. »Sie bringen Ihnen alles, was Sie
brauchen.«
Tuvok erweckte den Eindruck, sich um Rationalität zu
bemühen und auf das eigentliche Problem zu reagieren, das
Janeway ihm beschrieben hatte. Aber es entglitt ihm, bevor er
sich ganz darauf konzentrieren konnte. »Der Doktor kommt am
Mittwoch… Commander Barclays Besuche sind unregelmäßig.«
Plötzlich runzelte Tuvok die Stirn. Er wusste, dass er die
falsche Antwort gegeben hatte, die Angelegenheit aus dem
falschen Blickwinkel sah. Ihm erging es wie einem Jungen, der
die Angel in Stromschnellen auswarf: Er wusste nicht mehr,
wonach er angelte.
Kathryn Janeway hatte gefunden, wonach sie gesucht hatte.
Sie stand auf, ging zur Tür und wich dabei mit großer Vorsicht
den Zetteln aus.
»Leben Sie wohl, Tuvok.«
Der Bleistift kratzte übers Papier. Es hieß, man sollte nicht
zurücksehen, aber Janeway warf einen letzten Blick über die
Schulter.
Letzte Bedenken. Janeway schob sie entschlossen beiseite.
Es war eine ganze Weile her, seit sie zum letzten Mal für eine
Reise gepackt hatte. Den meisten Ehemaligen der Voyager
mangelte es an Fernweh.
Sie wählte einige Kleidungsstücke aus, so wie damals, als sie
geheime Ermittlungen angestellt hatte: widerstandsfähiger Stoff,
schlichter Schnitt, einfaches Styling.
»Sie sind vermutlich der einzige Arzt, der noch Hausbesuche
macht«, sagte Janeway.
Der Doktor stand einige Schritte entfernt, aktivierte seinen
medizinischen Tricorder und begann mit einer Sondierung.
»Beschreiben Sie mir die Symptome«, sagte er.
Janeway sah auf. »Es ist alles in Ordnung mit mir.«
»Dreiunddreißig Jahre lang haben Sie Widerstand geleistet,
wenn eine routinemäßige Untersuchung anstand. Und jetzt
möchten Sie eine vorziehen?«
Er hob und senkte die Brauen, schien Janeway allein aufgrund
ihres veränderten Verhaltens für krank zu halten.
»Ich breche zu einer Reise auf«, sagte sie. »Und ich möchte
die Untersuchung vorher hinter mich bringen.«
Lügen, Lügen. Und sie fielen ihr immer leichter, wie sie
zugeben musste.
»Das ist alles?«, hakte der Doktor nach.
Es gelang Janeway, nicht zu nicken. »Ja.«
Der holographische Arzt wusste, dass ihm Janeway nicht die
Wahrheit sagte; er blickte auf die Anzeigen des Tricorders. »Die
gute Nachricht lautet: Sie sind so gesund wie an dem Tag, als
ich Sie zum ersten Mal untersuchte.«
»Hm. Nun, das hätten wir also erledigt.« Sie winkte. »Nehmen
Sie Platz. Bei der Party haben wir kaum Gelegenheit
bekommen, miteinander zu sprechen.«
»In der Tat.«
»Wie ist das Eheleben?«
Wie absurd! Sie wusste Bescheid, er wusste Bescheid, und
trotzdem machten sie auf diese Weise weiter.
»Wundervoll«, erwiderte der Doktor. »Sie sollten es einmal
versuchen.«
Janeway lachte. »Ich fürchte, dafür ist es ein wenig zu spät.«
Sie dachte an ihren damaligen Verlobten Mark, an die
herrlichen unbeschwerten Tage vor so vielen Jahren, kurz bevor
sich die kurze Mission der Voyager in eine sechsundzwanzig Jahre lange verwandelt hatte. Komisch. Sie war damals der
Ansicht gewesen, »reif« zu sein, vielleicht zu reif für die Ehe,
für einen ganz neuen Anfang, und deshalb hatte sie Marks
Heiratsantrag zweimal abgelehnt. Wir reden später darüber…
Mach die Dinge nicht komplizierter… Warten wir, bis ich die
nächste Mission hinter mich gebracht habe…
In Wirklichkeit war sie damals sehr jung gewesen, noch viel
jünger, als sie gewusst hatte, die Kommandantin eines
Raumschiffs mit einer ebenfalls sehr jungen Crew. Jeder von
ihnen hatte sich für erfahren genug gehalten, um mit allem fertig
zu werden. Janeway erinnerte sich genau an jenes trügerische
Gefühl der Sicherheit, an den Eindruck, dass nichts schief gehen
konnte.
Wenn sie heute daran zurückdachte…
»Die Ehe ist etwas für junge Leute«, sagte sie und versuchte,
die Erinnerungen zu verdrängen. »Wie für Ihre Frau.«
»Ich hoffe nur, dass sie auf ebenso würdevolle Weise alt wird
wie Sie«, sagte der Doktor. »Was mich betrifft… Ich werde in
zwanzig Jahren noch immer das gleiche attraktive Hologramm
sein wie heute.«
Janeway lächelte. Was sollte sie dazu sagen? Welche
Bedeutung konnte das gemeinsame Altern für jemanden wie den
Doktor haben? Seine Existenz war wie ein ganz neues
Universum, das es zu erforschen galt. Mit den Nachteilen des
biologischen Lebens musste vor allem seine
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