Voyager 023 - Endspiel
beobachten.
Neurologische Krankheiten zählten zu den komplexesten
Problemen, denen sich die Medizin gegenübersah. Der Doktor
versuchte, in diesem Gedanken Trost zu finden. Sie hatten alles
versucht, um Tuvok Hilfe zu gewähren. Bis zum heutigen Tag
war es weder zu Veränderungen noch zu irgendwelchen
Durchbrüchen gekommen.
Der Doktor fragte sich, ob der gegenwärtige Zustand des
Vulkaniers Anlass zu Hoffnung bot oder aber ein neues, noch
schlimmeres Stadium der Krankheit ankündigte.
Am Morgen hatte Tuvok damit begonnen, die Einrichtung
seines Zimmers zu zertrümmern. Sogar eine Wand war in
Mitleidenschaft gezogen.
»Bisher ist er nie gewalttätig geworden«, sagte der Doktor.
Der andere Arzt – ein junger Mann, an Erfolg gewöhnt – stand
dem Vulkanier hilflos gegenüber. »Er scheint eher frustriert als
gewalttätig zu sein.«
Er versuchte ganz offensichtlich, Tuvok einen Gefallen zu
erweisen, indem er auf ein zu hartes Urteil verzichtete.
»Drei-eins… sieben… eins… fünf-drei…«
Der Doktor merkte sich die Zahlen und ihre Reihefolge.
Bestimmt verbarg sich irgendeine Bedeutung in ihnen; vielleicht
boten sie einen Hinweis. Selbst in seinen wirrsten Momenten
blieben Tuvoks Worte nie ganz ohne einen Sinn.
Er ließ den Assistenzarzt an der Tür zurück und näherte sich
dem Vulkanier. Als Tuvok ihn bemerkte, hörte er plötzlich
damit auf, die Zahlen zu wiederholen. Der Doktor schwieg,
blieb stehen und wartete. Tuvok kniff die Augen zusammen, als
er sich konzentrierte.
»Die Fernbereichsensoren… haben keine Spur entdeckt… Ihr
Verschwinden bleibt ein Rätsel… Ich bin zutiefst besorgt…«
Der Doktor ging vor dem Vulkanier in die Hocke. »Worüber
sind Sie besorgt, Tuvok?«
»Über ihr Verschwinden.«
Die Betonung wies darauf hin, dass der Doktor Bescheid
wissen sollte. Tuvok war sich also darüber klar, mit wem er
sprach.
»Wessen Verschwinden?«, fragte der Holo-Arzt und bemühte
sich, möglichst neutral zu klingen.
Doch Tuvoks Gedanken glitten wieder fort.
»Fünf-drei… drei… eins-sieben… eins… fünf…«
»Er wiederholt diese Zahlen immer wieder«, ließ sich der
Assistenzarzt vernehmen. »Fünf-drei-drei-eins-sieben-eins. Es
könnte eine Sternzeit sein…«
»Sternzeit 53317«, murmelte der Doktor. »Wenn meine
Gedächtnisdateien intakt sind, war das der Tag, an dem die
Kellidianer Captain Janeway entführten.« Er sah Tuvok an und
sprach erneut in einem ganz normalen Tonfall. »Geht es darum?
Meinen Sie Captain Janeway?«
Tuvoks Erregung wuchs sofort. Er atmete schneller und sein
Blick huschte hin und her. »Ihr Verschwinden bleibt ein
Rätsel…«
Offenbar ließen sich heute keine Lösungen finden. Zwar
erwähnte Tuvok Rätsel, aber der Doktor sah keine. Wenigstens
wusste er jetzt, woran sich der Vulkanier zu erinnern versuchte.
»Sie haben das Rätsel gelöst, Tuvok«, sagte er sanft. »Sie
haben Captain Janeway gerettet und sie heil zur Voyager
zurückgebracht, wissen Sie noch?«
»Ich bin zutiefst besorgt…«
Der Boden knarrte und die Zettel gerieten in Bewegung, als
sich der Assistenzarzt näherte. »Vielleicht sollte Admiral
Janeway ihm einen Besuch abstatten«, schlug er vor. »Um ihm
zu zeigen, dass mit ihr alles in Ordnung ist.«
»Leider befindet sie sich nicht mehr in der Stadt«, erwiderte
der Doktor. »Ich weiß nicht, wann sie zurückkehrt…«
Tuvok streckte abrupt die Hand aus, ergriff den Holo-Arzt am
Arm und zog ihn ganz dicht zu sich heran.
»Sie wird nie zurückkehren!«, stieß der Vulkanier hervor.
Der Assistenzarzt zuckte zusammen. Der Doktor wandte den
Blick nicht von Tuvok ab, suchte in seinen dunklen Augen nach
irgendeinem Hinweis. Er war davon überzeugt, dass etwas
existierte, ein Wissen, das sich hier und heute verwenden ließ.
Sie kannten sich gut genug. Irgendein Körnchen Realität
trachtete danach, sich aus dem Durcheinander von Tuvoks
verwirrtem Selbst zu befreien.
Doch der lichte Augenblick ging vorbei und Tuvoks Hand
löste sich vom Arm des Doktors. Seine Augen trübten sich und
er blickte wieder in die Ferne.
»Ihr Verschwinden… bleibt ein Rätsel…«
Der Doktor stand auf und trat zurück, um Tuvok eine weitere
Erregungsphase zu ersparen. Vielleicht war es seine Präsenz
gewesen, die den Vulkanier zu einer so heftigen Reaktion
veranlasst hatte. Der Holo-Arzt fragte sich, ob Tuvok auf Paris
oder andere Crewmitglieder der Voyager ebenso reagiert hätte.
Sollte er ein
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