Voyeur
es.
|125| Ich wachte erschrocken auf. Genau neben meinem Kopf klingelte der Wecker. Ich schaltete ihn aus und legte mich dann wieder
hin, um zu mir zu kommen. Ich war desorientiert und verwirrt. Der Traum war immer noch lebendig in mir. Ich konnte mich an
jedes Detail erinnern, doch das Gefühl der warmen Behaglichkeit, das er zuvor ausgelöst hatte, war nun verschwunden. Stattdessen
spürte ich nur eine unbestimmte Unruhe.
Als ich mich zum Frühstück hinsetzte, hatte sie sich ein wenig gelegt, war aber noch immer spürbar. Ich führte es darauf
zurück, dass ich eine Menge auf dem Herzen hatte, und versuchte, sie zu ignorieren. Ich hatte in der realen Welt genug
um die Ohren und wollte mir nicht über irgendeinen Traum den Kopf zerbrechen. Ich verdrängte alles Unangenehme und brach zur
Galerie auf, um mich mit wichtigeren Angelegenheiten zu beschäftigen. Zum Beispiel damit, dass irgendwann am Vormittag Anna
anrufen würde. Ihre erste Auktion fand um zehn Uhr statt.
Sie meldete sich um kurz nach elf.
«Donald, ich habe es!»
Ihre Begeisterung vermittelte sich selbst durch die schlechte Verbindung. «Sie haben es?» Einen Moment hatte ich keine Ahnung,
was sie meinte.
«Den Negretti! Ich bin sofort rausgegangen, um es Ihnen zu sagen! Mein Gott, es war großartig! Ich habe das Bild für fünftausend
weniger als Ihr Höchstgebot gekriegt!»
Ich legte so viel Begeisterung in meine Stimme, wie ich aufbringen konnte. «Das ist phantastisch! Wie um alles in der Welt
haben Sie das geschafft?»
«Ich habe einfach geboten. Erst dachte ich, ein Mann will |126| höher gehen. Er hat fast bis zum Schluss mitgeboten, aber dann ist er ausgestiegen. Ach, ich kann es noch gar nicht glauben!»
Ich auch nicht. Ich hatte von jeder Auktionsliste ein Gemälde ausgewählt und Anna ermächtigt, bis zu einer Summe zu bieten,
die weit unter der lag, die sie meiner Meinung nach einbringen würden. Offenbar hatte ich mich verrechnet. Jetzt war ich
um eine beträchtliche Summe ärmer und stolzer Besitzer eines mittelmäßigen Gemäldes aus dem sechzehnten Jahrhundert von einem
Künstler, den ich nicht mochte. «Das haben Sie großartig gemacht!», sagte ich.
Sie lachte. «Na ja, ich habe nur die ganze Zeit meine Hand gehoben, so wie Sie es gesagt haben.»
«Sie haben einen anderen Bieter ausgestochen und es unter dem Limit bekommen. Das ist keine Kleinigkeit. Ich bin stolz auf
Sie.»
«Danke. Gott, ich bin immer noch ganz aufgeregt!»
«In dem Fall empfehle ich, dass Sie sich eine Flasche Champagner bestellen, um Ihre Nerven zu beruhigen. Setzen Sie es auf
die Spesenrechnung.»
«Ich schaffe doch allein keine ganze Flasche!»
«Unsinn. Und wenn nicht, dann können Sie den Rest nach der nächsten Auktion trinken.» Bei der sie, wie ich zutiefst hoffte,
weniger erfolgreich sein würde.
«Das klingt verlockend, muss ich zugeben. Ach, ich kann gar nicht abwarten, es Marty zu erzählen!»
Mein Magen zog sich zusammen. Marty schon wieder. Immer Marty. «Wollen Sie ihn jetzt anrufen?», fragte ich.
«Nein, das geht nicht. Er wird noch an der Uni sein, und |127| ich will ihn nicht stören. Ich werde bis heute Abend warten müssen.»
«Er wird bestimmt schon neben dem Telefon stehen.»
Anna lachte wieder. «Das sollte er auch. Ich brenne darauf, es ihm zu sagen. Oh, mein Geld ist gleich zu Ende», sagte sie
plötzlich.
«Wir sprechen uns übermorgen wieder. Und, wie gesagt, gut gemacht.»
«Okay, ich rufe nach der …» Die Leitung war tot. Es fiel mir so schwer, die Verbindung mit Anna aufzugeben, dass ich den Hörer noch eine Weile am
Ohr hielt, ehe ich ihn zurück auf die Gabel legte. Trotz der Nachricht von meiner ungewollten Neuerwerbung war es schön gewesen,
sie zu hören. Wenn ich schon in eine solche Stimmung kam, nachdem sie gerade mal einen Tag weg war, wagte ich mir gar nicht
vorzustellen, wie ich mich fühlen würde, wenn Anna nach Amerika ging.
Die Ruhelosigkeit breitete sich wieder in mir aus. In der Vergangenheit hatte ich mich immer irgendwie beschäftigen können.
Doch jetzt, da es noch zwei Tage dauerte, bis Anna zurückkehrte, und noch einen Tag und eine Nacht, bevor ich erfuhr,
ob Zeppo bei Marty Erfolg gehabt hatte, dehnten sich die Stunden endlos.
Aus Langeweile aß ich unbesonnen etwas Fettiges zu Mittag, wonach meine Magenschmerzen zunehmend heftiger wurden. Als am
frühen Abend Sodbrennen dazukam, wichen meine Sorgen vor einem Magengeschwür schlimmeren
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