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VT03 - Tod in den Wolken

VT03 - Tod in den Wolken

Titel: VT03 - Tod in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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Pilatre ließ keine Gelegenheit aus, seinen Sohn Unzulänglichkeiten vorzuwerfen oder sein Äußeres zu kritisieren. Ein paar von hundert anderen Gründen, warum Victorius vor knapp einem Jahr das Weite gesucht hatte. Er stahl die PARIS, die Lieblingsroziere des Kaisers, und machte sich ohne Abschied davon.
    Wabo erinnerte sich, wie Pilatre wochenlang getobt hatte. Er schickte seine besten Männer los, um den Jungen zu suchen, aber es war, als hätte der Himmel Victorius verschluckt. Lange Zeit durfte sein Name am Hofe nicht genannt werden. Nur Wabo kannte den Schmerz und die Schuldgefühle seines Freundes über den Verlust seines Sohnes. »Er wird zurückkommen, mein Freund«, pflegte er Pilatre zu trösten.
    Etwas riss Wabo aus seinen Gedanken: Es war nicht ein Geräusch oder ein bestimmter Geruch oder eine fremde Bewegung, sondern ein Instinkt, der sich in ihm regte. Wabos Sinne erforschten jeden Zentimeter seiner Umgebung. Die Pavan-Affen hockten reglos in den Bäumen, die Blauracke hatte ihren Gesang eingestellt. Das Prasseln des Feuers unter den Töpfen klang wie aufplatzende Erbsenschoten, das Grün des Grases schien mit grauen Schatten getüncht, und die Erde unter seinem Gesäß fühlte sich mit einem Mal kalt an. Wabo tastete nach der Armbrust. Mit der Witterung eines Tieres spürte er deutlich die Präsenz eines Wesens. Es lag auf der Lauer. Ganz in seiner Nähe. Nicht der Hunger hatte es hergetrieben. Sondern die Lust am Töten!
    Der sehnige Körper des Kriegsministers richtete sich lautlos auf. Etwas zog seine Aufmerksamkeit auf die Feuerstelle beim Küchenzelt. Wie eine schwarze Masse brodelte das Bedrohliche aus dieser Richtung. Der Koch und sein Gehilfe waren nicht zu sehen. Wabo spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Die Armbrust im Anschlag, schlich er vorwärts.
    Er erreichte den Tisch zwischen Feuerstelle und Zelt. Ein Blick auf die große Bratenpfanne machte ihm klar, dass schon länger nicht mehr nach dem Essen geschaut worden war: Die Fleischstücke lagen verkohlt auf dem Boden des Kochgefäßes.
    Kleine Schweißperlen rannen über den Wakudaschädel auf Wabos Stirn. Noch einen Schritt und er schaute in das geöffnete Zelt: nichts! Wo waren Ningensi und Tomba? Wabo atmete tief durch. Nur noch wenige Schritte, bis er die Stelle an der Seitenwand des Zeltes einsehen konnte. Was würde ihn dort erwarten? Der Krieger stützte sein Kinn auf das Holz der Armbrust. Die Waffe lag ruhig in seinen Fingern. Er musste schnell reagieren. Er verlagerte sein Gewicht auf das gesunde Bein und machte einen Satz nach vorne.
    Der Platz neben dem Zelt bot ein grauenhaftes Bild. Ningensi und Tomba lagen in einer blutigen Pfütze. In ihrer Brust klafften tellergroße Wunden. In ihren grauen Gesichtern lag ein Ausdruck von Entsetzen. Wabo senkte die Armbrust. Das Untier konnte unmöglich beide Männer gleichzeitig erlegt haben. Warum hatte nicht einer von ihnen geschrien? Warum hatte er nichts gehört?
    ***
    Der Boden zwischen den Toten war von tiefen Spuren aufgewühlt. Von der Bestie selbst war nichts zu sehen.
    Wabo beugte sich über die Leichen. Er schloss dem Koch und seinem Gehilfen die Augen. Sein Körper bebte. Bei dem Gedanken, dass er nur wenige Meter entfernt gewesen war, während die Bestie die beiden Männer lautlos zerriss, wurde ihm schwindlig. Plötzlich hörte er aus dem Wald hinter dem Zelt das Knacken von Ästen und das Lachen der Frauen.
    »Ningensi, wir sind zurück und haben Hunger!«, hallte die helle Stimme von Naakiti zu Wabo herüber.
    Panik drückte den Brustkorb des Kriegsministers zusammen. »Lauft!« Seine Warnung klang wie das Krächzen eines kranken Witveers. Er holte tief Luft und preschte los. »Lauft um euer Leben!«, schrie er und stolperte auf die Lichtung hinter dem Zelt. Aus dem Augenwinkel nahm er links von sich die Konturen der Wächter und Frauen zwischen den Bäumen wahr. Er hörte auch ihre Schreie und Rufe. Aber seine Aufmerksamkeit galt einzig und alleine der Kreatur, der er unvermittelt gegenüber stand:
    Ein Lioon, dessen Leib die Ausmaße eines jungen Nilrosses hatte. Sein Fell war so weiß wie der Schnee auf den Gipfeln des Götterberges, seine Pranken beinahe so groß wie Wakudaschädel, und aus seinen Schultern ragten zwei Köpfe.
    Zwei Köpfe! Bei Ngaai! Wabo spürte, wie sich die Kraft seiner Glieder davon stahl. Er ließ die Armbrust sinken. Ich bin in einen bösen Traum geraten , hoffte er inständig. Doch vergeblich! Nur einen Steinwurf entfernt

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