VT03 - Tod in den Wolken
hinab in die Wohnküche. Sie hatte oben das Bett im Schlafzimmer frisch bezogen und einen bunten Strauß Blumen in die Bibliothek ihres Herrn gestellt. Alles war bereit für die neue Herrin des Hauses: Madaleine Okowadi, kurz Maddy genannt.
Enay kannte Maddy schon von Kindesbeinen an. Sie war die Tochter ihrer Nachbarin und arbeitete als Krankenschwester im Haus der Heiler.
An der unteren Stiege angelangt, bot sich Enay das gleiche Bild wie vor einer halben Stunde: Ihr Herr stand vor der großen Platte neben dem Herd, zu seinen Füßen der winselnde Hund. Mit einem großen Messer bearbeitete Leguma die Kräuter auf dem Holzbrett. Inzwischen waren sie ein einziger grüner Brei. Enay hätte es nicht gewundert, wenn aus der Kräutersoße für die Linsen eine Holzspansoße würde. Was nur war mit ihrem Herrn los? Seit er am frühen Nachmittag aus dem Haus der Heiler gekommen war, schien er nicht mehr ganz bei Sinnen zu sein.
Erst strich er unruhig durch das Haus, als ob er etwas suchte. Dann stand er lange auf der Veranda zum Garten und starrte in die Ferne. Als Enay ihm den Tee brachte, nippte er an der Tasse und verzog augenblicklich den Mund. Auf ihre Frage, ob er zu stark sei, antwortete er: »Nein, er schmeckt nach gar nichts.« Erschrocken probierte sie selbst davon, aber der Tee schmeckte köstlich wie immer! Als er das Gleiche über ihre Gemüsefladen behauptete, wurde sie ernsthaft böse. Schließlich war es nicht einfach, für einen Mann zu kochen, der nur Grünzeug aß.
Energisch strich sie ihre Schürze glatt. Es wurde Zeit, dass Maddy endlich einzog. Obwohl Enay ja der Meinung war, dass die Kleine viel zu jung für Leguma war. Die Haushälterin verließ die Treppe und trat zur Küchentheke. »Das Haus ist bereit für Ihren großen Tag!« Sie versuchte betont gelassen zu klingen. Aber sie musste fast schreien, um das Geräusch des Messers zu übertönen. »Brauchen Sie mich heute noch?«
Leguma reagierte überhaupt nicht. Sein Gesicht wirkte konzentriert, sein Körper verkrampft. Unbeirrt hieb er auf das Brett ein. Nur der Hund beendete sein Gewinsel, als er die Stimme der fülligen Hausangestellten vernahm. Er wedelte mit dem Schwanz und schaute sie aus feuchten Augen an.
Am liebsten hätte ihn Enay mitgenommen. Sie streichelte sein ockerfarbenes Fell.
Vielleicht sollte sie doch Maddy Bescheid sagen? Kopfschüttelnd beobachtete sie ihren Herrn. Es schien ihn ernsthaft erwischt zu haben. Aber was wollte man auch anderes erwarten von einem Pflanzenesser? Seufzend wandte sie sich zum Ausgang.
»Ich geh dann mal!«, rief sie. Sie hatte den Türknauf schon in der Hand, als das Trommeln plötzlich endete. Enay zögerte. Die eingetretene Stille war fast beängstigend. Sie spürte einen warmen Atem in ihren Nacken und fuhr herum.
Hinter ihr stand Leguma. Das Messer glänzte in seiner Hand. Ein Schleier hing über seinen Augen. Sein Mund war leicht geöffnet.
Enay presste ihren Rücken gegen die Tür. »Bei Ngaai, haben Sie mich erschreckt«, keuchte sie.
Leguma ließ das Messer sinken. Er räusperte sich. »Mir ist doch noch etwas eingefallen, das du mir besorgen könntest, Enay: ein saftiges Stück Wakudafleisch! Und bring unbedingt auch etwas von den Innereien wie Leber und Hirn mit. Zusammen mit dem Kohl gibt das eine phantastische Füllung.«
***
Tala trat vor den Spiegel und legte sich eine Kette aus kleinen Kalarimuscheln um. Ihr Haar band sie mit einem roten Tuch im Nacken zusammen. Eigentlich sollte sie als Leibwächterin jetzt an der Seite des Kaisers sein, auf der Jagd nach der Bestie. Aber er hatte es abgelehnt, sie mitzunehmen. Stattdessen musste sie nun Kindermädchen für diesen Jungen aus Kilmalie spielen! Sie, Tala, deren Seele dem Totem der Gepaade geweiht war.
Tala zerrte ihren Waffengürtel unter einem Kleiderhaufen hervor. Dieser Nabuu machte sie nervös. Er hatte es sogar geschafft, sie aus der Fassung zu bringen! Wütend zurrte sie das Leder um ihre Taille. Wo war ihre verfluchte Waffe? Sie schaute sich suchend um.
Ihr Zimmer glich einem Schlachtfeld: Vor den leeren Regalen lagen Bücher und Kleider auf einem Haufen, die bunt gewebte Decke achtlos über ihr Schlaflager geworfen. Der runde Bambustisch und die beiden Sessel waren mit Schmuck, Tüchern, gebrauchtem Geschirr, Gürteln und einzelnen Schuhen hoffnungslos überfüllt. Das kleine Bord, auf dem sie ihre Kostbarkeiten aufbewahrte, hatte sich vor langer Zeit gelöst. Wie ein geräucherter Fisch an der Stange, hing es von
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