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VT04 - Zwischen Leben und Sterben

VT04 - Zwischen Leben und Sterben

Titel: VT04 - Zwischen Leben und Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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das sind wir, ja wir…«
    Das Mädchen war höchstens siebzehn Jahre alt. Es hatte die Augen weit aufgerissen, und das Kerzenlicht spiegelte sich im Weiß ihrer Augäpfel. Der Weißhaarige warf einen Sack auf den Boden. Der jaulte und zappelte, als er aufschlug. Lupo musste kichern. Knox rammte ihm den Ellenbogen in die Rippen.
    Carlo stierte den Sack an, unterbrach aber seinen Text nicht, sondern rezitierte ihn auswendig. Und Knox übersetzte. »… für diesen Morgen leben wir… auf diesen Tag arbeiten wir hin… an diesem Tag sind wir dabei…« Mit feierlicher Geste schlug Carlo seine gesammelten Werke zu.
    Andächtiges Schweigen herrschte ein paar Sekunden lang. Eusebia hob die Arme, um Beifall zu klatschen, unterließ es dann aber doch, als sie merkte, dass man diesem Dichter nicht auf solch profane Weise zu huldigen pflegte. Carlo betrachtete das zappelnde und winselnde Sackbündel, Carlo betrachtete das verängstigte, gefesselte Mädchen. Lupo unterdrückte den Drang zu kichern.
    Schließlich sprach Carlo den Weißhaarigen an. Lupo verstand nur ein Wort. Goofy. Vielleicht der Name des Alten. »Die hier gehört zu den Fans der Witches«, sagte der Alte auf Deutsch, und irgendjemand übersetzte für Carlo. »Donald und Dagobert haben sie und ihre Freundinnen belauscht. Das Wichtigste haben die Jungens mitbekommen: Die Leute der Witches wollen das Konzert sprengen, wenn ihr euren Auftritt habt.«
    Mit einer knappen Geste befahl Carlo dem Mädchen den Knebel abzunehmen. Der Alte tat es. »Is it true?«, fragte Carlo. Das Mädchen schwieg. Einer der Kerle, die sie hereingeschleppt hatten, stieß es von hinten in den Rücken. Die junge Frau stolperte in die Menge und stürzte vor Carlo auf den Boden. Der packte sie am Haar und riss ihren Kopf hoch. »Is it true?!« Das Mädchen nickte hastig.
    Carlo begann wild zu gestikulieren und blaffte nach allen Seiten. Lupo verstand kein Wort. Das Mädchen wollte schreien, jemand setzte ihm ein Messer an den Hals und stopfte ihm den Knebel zurück in den Mund. Zwei Kerle zerrten es zur Wand, drückten den zierlichen Körper dagegen und hielten ihn fest. Lupo hielt den Atem an.
    Carlo deutete auf den zappelnden Sack. Der Weißhaarige bückte sich und öffnete ihn. Ein Hund von der Größe eines Dachses schlüpfte heraus – ein Staffordshire Bullterrier – und stürzte sich wütend knurrend auf Carlo.
    Ein Aufschrei ging durch die Menge der Fans, fast alle sprangen auf. Der hielt den Staffordshire Bullterrier an seinem Maulkorb fest, fluchte und zischte, hob den Hund über den Kopf und schmetterte ihn neben dem Tisch mit dem Leuchter auf den Steinboden. Lupo kämpfte mit einem Lachzwang.
    Der Kampfhund sprang sofort wieder hoch, um ihn anzugreifen, doch Goofy hielt plötzlich eine langstielige Axt in den Händen. Er holte aus und traf den Rücken des Bullterriers mit der stumpfen Seite.
    Das Tier winselte, jaulte und knurrte und versuchte vergebens, sich wieder auf allen Vieren aufzurichten. Offenbar hatte der Schlag ihm die Wirbelsäule gebrochen.
    Carlo sprang auf, packte ihn erneut, richtete sich auf und schmetterte ihn neben dem zitternden Mädchen gegen die Wand. Lupo glaubte sein Genick brechen zu hören. Der Bullterrier stürzte dem Mädchen vor die Füße, zuckte und schnappte ein paar Mal, streckte sich schließlich und erschlaffte endgültig. Lupo musste beide Hände auf den Mund pressen und den Kopf senken, sonst hätte er laut losgeprustet. Das Mädchen weinte.
    »Hol meinen Werkzeugkoffer«, flüsterte Knox und drückte ihm den Autoschlüssel in die Hand. Froh, den Raum verlassen zu können, stand Lupo auf und eilte zur Tür. Im Gehen hörte er den Alten etwas von Kampf und Sieg faseln.
    Er hastete die Kellertreppe hinauf, rannte zum Wagen und holte Knox’ Werkzeugkoffer aus dem Kofferraum. Es war bereits dunkel, und als er zurück zum Hintereingang kam, sah er einen Schatten mit Hut hinter den fast kahlen Rhododendronbüschen vor der Hauswand. War das nicht der Typ, den Knox vorhin fast über den Haufen gefahren hatte?
    Lupo wieselte die Kellertreppe hinunter. Da hatte er den fetten Typen mit dem Schlapphut schon fast wieder vergessen. Als er zwischen den beiden griesgrämigen Wächtern hindurch in den Heizungskeller schlüpfte, fiel sein Blick auf die schmalen vergitterten Fenster unter der Decke. Irgendetwas stimmte nicht mit ihnen.
    Er überreichte Knox seinen Koffer. Goofy – so nannte der Grauhaarige sich wahrhaftig – übersetzte böse zwischen

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