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Wach auf, wenn du dich traust

Wach auf, wenn du dich traust

Titel: Wach auf, wenn du dich traust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Mohr
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das hatte Markus ja gesagt, und vielleicht hätte ich einen davon erwischt. Dann hätte man mich ’ne Woche später gefunden und keiner hätte gewusst, wer das ist.
    Ich hab im Internet alles über Todesarten gelesen. Ertrinken ist gar nicht so schlecht, es geht auch recht schnell. Man muss nur sicher sein, dass einen etwas lange genug nach unten zieht. Nur hinterher sieht man ziemlich scheiße aus. Man quillt nämlich auf im Wasser, weil die Zellen das ganze Wasser aufnehmen.
    Ich frag mich nur, wie lange es tatsächlich dauert. Und ob man echt ein Licht sieht am anderen Ende.
    Davor habe ich nämlich ein bisschen Schiss: dass da gar nichts ist auf der anderen Seite.
    Klingt vielleicht komisch für einen wie mich. Aber es weiß ja auch niemand, dass ich nur deshalb immer lange Pullover trage, damit man die Schnitte nicht sieht.
    Ich bin ja nicht naiv. Vielleicht geht es ja wirklich weiter danach. Und was ist, wenn das Hinterher gar nicht besser ist? Dann hätte das Ganze ja nichts gebracht und man hat nicht mal mehr einen letzen Ausweg. Das wäre echt mies.
    Andererseits glaube ich, schlimmer als mein Leben, das Dasein, das man hier so führt, kann es auch nicht sein. Wenn es eine Hölle gibt, dann bin ich sowieso schon drin. Mich schreckt das also nicht.
    Weißt du, zu der Freizeit habe ich mich und Denise nur angemeldet, um mal eine Woche weg zu sein, weg aus unserem Leben.
    Denise kann ich mit dem Alten ja nicht alleine lassen. Wenn ich da bin, rührt er sie nicht an. Da kriege ich es ab. Aber wenn ich nicht da bin, weiß ich nicht, was passiert. Ich weiß nur eins: Das kann ich ihr nicht antun.
    Denise hat mich fast ins Krankenhaus geschoben. Sie hat uns auch sofort auf die Liste für die Besuche bei dir eingetragen, aber dann ist sie doch unten geblieben. Toll, und jetzt stehe ich hier. Genau da, wo ich nie wieder landen wollte. Auf der Intensivstation.
    Ich weiß nicht recht, was mit Denise abgeht, sie spricht kaum noch seit der Nacht im Wald. Das macht mir ein bisschen Angst, weil sie bisher trotz allem immer noch geredet hat. Ich habe es nicht so richtig mitgekriegt, aber sie hat sich wohl mit dir angefreundet. Na ja, ich glaube eher, sie hätte es gerne getan. Vielleicht hast du es nicht mal mitgekriegt. Das wäre nicht das erste Mal. Manchmal kann man das Gefühl kriegen, Denise gibt es gar nicht. Die ist noch besser im Unsichtbarmachen als ich.
    Die einzige Sache, die ich mir wirklich vorwerfe, ist, dass ich nicht eine Sekunde lang an sie gedacht habe, als ich unter Wasser war. Ich hätte mich einfach davongeschlichen und sie mit dem Alten alleine gelassen. Wie habe ich nur so egoistisch sein können?
    Eigentlich muss ich dir ja fast dankbar sein.
    Irgendwie bin ich das auch, glaube ich, aber es ist so schwierig, überhaupt irgendwas zu empfinden. Kennst du das? Man denkt: Ja, da ist was, irgendwo sitzt da was. Im Bauch oder im Kopf oder sonst wo. Aber dann guckt man sich doch immer nur von Ferne selbst dabei zu und fühlt es nicht. Manchmal kommt es mir vor, als hätte ich überhaupt keine Gefühle. Das Leben ist ein Film, der an mir vorbeiläuft, und ich gucke zu und denke mir: Aha, interessant. Und dann drehe ich mich um und plötzlich hat das alles überhaupt nichts mit mir zu tun.
    Ich habe zu Denise gesagt, dass sie ja auch nach Hause gehen kann, wenn sie will, aber sie sitzt irgendwo unten im Klinikpark. Vielleicht kann ich sie überreden, noch mit dir zu sprechen, ich glaube, es würde ihr guttun. Und sie hat sich ja auch eingetragen, gleich nach mir. Aber ob sie wirklich kommt, weiß ich nicht.
    Meine Güte , ich wollte doch nur eine Woche Ruhe! Das war der einzige Grund, weshalb ich uns angemeldet habe.
    Das Kanufahren und Klettern und das ganze Drumrum, das war mir alles so was von egal. Ich hätte mich auch eine Woche lang in ein Loch eingegraben, wenn es nur weit genug weg gewesen wäre. Aber für Denise war es wichtig, dass sie nicht alleine ist. Sie kann nicht alleine sein. Sie schläft dann nicht, manchmal nächtelang. Früher habe ich sie manchmal alleine gelassen, wenn es mir zu viel wurde. Das mache ich nicht mehr. Ich gehe überhaupt nirgendwo mehr hin.
    Du kannst dir das vielleicht nicht vorstellen, Jenny. Du hast Eltern, die fahren jetzt von ihrem Urlaub hierher und werden bei dir warten, bis du aufwachst.
    Meine hätten noch nicht mal mitgekriegt, wenn ich verreckt wäre. Vielleicht wäre es ihnen sogar ganz recht gewesen.
    Für dich war das schlimm, was auf der Freizeit passiert

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