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Wach auf, wenn du dich traust

Wach auf, wenn du dich traust

Titel: Wach auf, wenn du dich traust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Mohr
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erreichen. Es ist wahrscheinlich immer noch schneller, auf dem Fluss voranzukommen, als das Unwetter am Ufer abwarten zu müssen, bis uns dann mal jemand abholt.
    Sie biss die Zähne zusammen, versuchte, das Wasser, das in alle Ritzen lief, zu ignorieren, und stach das Paddel ein, zog es durch, hob es raus. Einstechen, durchziehen und rausheben und dabei versuchte sie, sich Deborahs langsamer werdendem Schlag anzupassen.
    »Deb, wir müssen gleichmäßiger rudern«, rief sie ihr zu, »hier sind keine Strudel mehr, wir haben es gleich geschafft!«
    Deborah wurde noch langsamer, einen gleichmäßigen Schlag bekam sie trotzdem nicht hin. Jenny seufzte und versuchte, die ungleichmäßigen Bewegungen ihrer Freundin irgendwie auszugleichen.
    Als sie schon nicht mehr daran glaubte, kam ein Landungssteg in Sicht. Und da stand tatsächlich der Bus mit einem Anhänger für die Boote.
    »Da«, rief Jenny, »guck mal, wir haben’s geschafft!«
    Deborah reckte sich hoch. »Gott sei Dank«, hörte Jenny sie stöhnen. Als sie sich zu Jenny umdrehte, erschrak sie über Deborahs graue Gesichtsfarbe. »Ich glaube, viel länger hätte ich das nicht durchgehalten.«
    Neunzehn völlig entkräftete Jugendliche steuerten das Ufer an. Nur Markus schien die Anstrengung und das Unwetter locker weggesteckt zu haben. Er strahlte in die Runde, klopfte einigen Jungs auf die Schulter und schien stolz wie ein Feldherr auf sein siegreiches Heer.
    Als sich Jenny und Deborah endlich in ihren nassen Hosen in die Bussitze sinken ließen, sagten sie eine ganze Weile nichts.
    »Ich fahr nächstes Jahr wieder mit.«
    »Wie bitte«, lachte Jenny auf, »reicht dir das hier noch nicht?«
    »Es ist ein gutes Gefühl, richtig was gepackt zu haben. Und ich finde Markus total genial. Der schafft es wirklich, dass man durchhalten will.«
    Jenny sagte nichts. Sie schloss die Augen und tat so, als würde sie schlafen. In Wirklichkeit stieg das Bild vom Morgen wieder in ihr auf. Markus, der sich für den perfekten Kopfsprung präparierte. Sie versuchte, das Bild zu verscheuchen.
    Noch während sie zurück zum Zeltplatz fuhren, klarte der Himmel wieder auf. Nebel stieg vom Boden auf und verwandelte die Landschaft, durch die sie fuhren, in ein riesiges Dampfbad. Es wurde wieder wärmer.
    »Das ist ja wie in den Tropen hier«, bemerkte Jenny und zog die Jacke aus.
    Die Stimmung im Bus wurde beinahe exaltiert. Alle lachten und krakeelten durcheinander. Markus schien stolz auf seine Truppe und auch Beate lachte ausgelassen.
    »Nach Abzug aller Minuspunkte durch die entsprechenden Aktionen seid ihr nach dem heutigen Tag…« Er tat so, als müsse er in seinem Buch nachsehen, und blätterte darin herum. »…bei hundertzwanzig Punkten gelandet.«
    Alle jubelten lautstark und sogar Jenny spürte, wie sie gegen ihren Willen von einer Welle des Stolzes durchflutet wurde.
    Debbie kaute auf einem Fingernagel herum. »Gab ganz schön Extrapunkte, das Unwetter«, meinte sie.
    »Sieht so aus«, sagte Jenny. »Ich freue mich jetzt jedenfalls auf festen Boden unter den Füßen.«
    »Und was zu essen«, bemerkte Debbie und strich sich über den Bauch. »Von dem Paddeln hab ich bestimmt schon abgenommen.«

Sebastian
    Das Licht ist immer an hier, sagen sie. Tag und Nacht. Damit kann man Menschen foltern, weißt du das? Nie das Licht auszumachen. Damit sie nicht schlafen können. Wie hältst du das nur aus?
    Aber du schläfst ja trotzdem. Wahrscheinlich kriegst du es gar nicht mit.
    Ich bin fast neidisch. Du bist weit weg und die Welt kann dir egal sein. Ich weiß ja nicht, wie das ist, aber ich stelle es mir perfekt vor. Man hat endlich seine Ruhe.
    Aber wenn ich dann so was denke, komme ich mir wieder vor wie ein Alien. Zum Glück kannst du es nicht wirklich hören.
    Ja, keine Ahnung, die anderen erzählen dir wahrscheinlich irgendwelche Sachen, mit denen du was anfangen kannst. Über Schule und Lehrer und Dinge, die man so tut. Ich weiß darüber nicht viel. Keine Ahnung, was ich dir erzählen soll.
    Unter Wasser war es ruhig. So ruhig, wie ich es schon seit Monaten nicht mehr erlebt habe. Ich muss sogar jetzt dran denken. Wahnsinn, das war wirklich das Beste seit Langem! Nichts mehr hören. Nichts mehr mitkriegen. Es klingt für dich sicher verrückt, aber als du mich aus dem Wasser gezogen hast, war ich sauer. Stinksauer. Ich wollte am liebsten einfach den Fluss runtertreiben und irgendwann untergehen. Es hätte wahrscheinlich nicht mal geklappt, aber die Strudel sind tückisch,

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