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Wach auf, wenn du dich traust

Wach auf, wenn du dich traust

Titel: Wach auf, wenn du dich traust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Mohr
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Ahnung, warum alle immer so tun, als wäre leben besser als sterben. Solange es so Leute wie Markus gibt, bin ich mir da nicht so sicher.
    Es ist übrigens nicht so, dass ich nicht gewusst hätte, was Markus für einer ist.
    Er hat zwar versucht, sich zu verstellen, aber die Augen lügen nicht. Und was dadrin war, das kenne ich zu gut.
    Immer wenn er den Mund aufgemacht hat oder den Arm gehoben, um jemandem auf die Schulter zu klopfen, hörte ich in meinem Kopf Geschrei und Knochenknirschen. Weißt du, wie es sich anhört, wenn Knochen splittert?
    Ich schon.
    Irgendwann habe ich Markus einfach nicht mehr angeschaut, damit ich das nicht länger hören muss.
    Vielleicht war das feige von mir, aber wie man kämpft, weiß ich nicht. Mich unsichtbar zu machen, ist das Einzige, was mir je geholfen hat.
    Heute Morgen haben wir uns heimlich zu Hause reingeschlichen. Ein paar Minuten nur. Es war ja sechs Uhr früh, als Gretas Eltern uns abgesetzt haben, da schläft der Alte auf jeden Fall. Ich wollte ja auch Gretas Eltern nicht sagen, dass sie uns in der Stadt absetzen sollen oder irgendwo auf den Feldern, wie hätte das denn ausgesehen. Da wären bloß wieder Fragen gekommen.
    Ich hab dir übrigens was mitgebracht.
    Es ist zum Kotzen, keine Kohle zu haben, aber das brauche ich dir wohl nicht zu erzählen. Auch wenn man dir das nicht so ansieht. Du kannst es besser verstecken als andere.
    Ich hab dem Alten das letzte Geld geklaut. Er wird zwar herumtoben, aber letztlich hat er sich schon zu viele Gehirnzellen weggesoffen, um noch zu wissen, wie viel er im Geldbeutel hatte.
    Die Frau in dem Geschäft hat gesagt, das sei was für ein Mädchen, das sonst keinen Schmuck trägt. Ich kenne mich ja mit so was nicht aus. Habe nur das Geld auf den Tisch gelegt und gesagt, ich bräuchte das für eine Freundin, die im Sterben liegt und die zum ersten Mal in ihrem Leben Schmuck tragen will.
    Der sind fast die Tränen gekommen, ich konnte es gar nicht glauben. Ich muss furchtbar ausgesehen haben. Sie hat es mir sogar billiger gegeben.
    Vielleicht wunderst du dich, wenn du aufwachst und das Ding an deinem Handgelenk siehst. Die Frau hat einen guten Geschmack, finde ich. Es sieht richtig hübsch aus an deinem Handgelenk.
    Es ist echt, wenn du innen reinschaust, kannst du den Stempel erkennen. Ich hoffe wirklich, dass es dir gefällt. Wenn nicht, kannst du es wenigstens verkaufen.
    Der Alte hätte das Geld sowieso nur versoffen und du hast es tausendmal mehr verdient.

Jenny
    Der Regen hatte nachgelassen. Die Erde war feucht und der aufsteigende Dunst hüllte die Umgebung in Nebelschwaden.
    Als Jenny aus dem Zelt trat, schloss sie einen Moment lang die Augen. Ein verführerischer Duft drang zu ihr herüber. Sie beeilte sich, zum Topf zu gelangen und sich eine Schüssel zu organisieren, die sie randvoll mit Eintopf füllte.
    Sie drehte sich nach einer Sitzgelegenheit um.
    »Hey Jenny!«, rief Deborah ihr zu. »Komm her!«
    Jenny trat näher zu den anderen, die bereits ihre Stammplätze auf den Baumstämmen belegt hatten. Sie setzte sich vorsichtig neben Frederik auf den Boden, um nichts zu verschütten.
    »Sieh an, die edle Retterin«, spottete Max.
    »Hey«, sagte Deborah laut. »Das ist meine beste Freundin, über die du da sprichst!«
    Jenny war erstaunt, welches Selbstbewusstsein ihre Freundin plötzlich an den Tag legte.
    »Rutsch mal ein Stück zur Seite für die Dame«, befahl Silvio und wedelte mit der freien Hand. Die andere ruhte lässig auf Debbies Schulter.
    Daher also das Selbstbewusstsein, dachte Jenny.
    Max gehorchte. Jenny fand nun Platz auf dem Baumstamm, zwischen Max und Tino eingekeilt.
    Pauline trat, ebenfalls mit Becher und Brot bewaffnet, zu ihnen.
    »Und?«, fragte sie. »Was steht an?«
    »Nichts für dich jedenfalls«, erwiderte Max.
    Pauline versetzte ihm einen harten Tritt vors Schienbein. »Halt die Klappe, Schoßhündchen!«
    »Hehe«, schritt Silvio ein, »macht mal keinen Stress hier, ja?« Seine Stimme wurde leiser. »Später gibt’s übrigens noch was Leckeres.« Er legte die gespreizten Finger an die Lippen und zog an einem unsichtbaren Joint. »Hinten im Wald.«
    »Bei der Waldhütte?«, fragte Tino.
    Silvio lachte auf. »Für dich natürlich nicht, Bubilein, du gehst schön schlafen, damit die Großen ihren Spaß haben können.«
    Tino verstummte.
    »Hat Miro was dabei?«, fragte Pauline.
    Silvio lachte. »Der hat immer was dabei.« Er nahm seine Hand von Deborahs Schulter und klopfte sich gegen die Stirn.

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