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Wach auf, wenn du dich traust

Wach auf, wenn du dich traust

Titel: Wach auf, wenn du dich traust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Mohr
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ist. Für mich war es immer noch Erholung.
    Ein bisschen was einzustecken dafür, eine Woche Ruhe zu haben, das war es mir wert. Die kleinen Schikanen, das war doch nichts. Ich war ja auch wirklich selbst schuld. Markus hatte ja recht. Ich hab einfach nicht richtig zugehört. Hab dann gedacht, es sei eine gute Idee, den Rucksack mit dem Fuß festzuhalten.
    Du hättest nicht deinen Kopf für uns hinhalten sollen, das ist nie gut. Glaub mir.
    Im Ernst: Niemand hätte doch erfahren müssen, dass du eine von uns bist. Vielleicht gibt es so ein »uns« ja auch gar nicht. Aber Markus hätte jedenfalls nie auf der Liste nachgeschaut, es nie herausgekriegt, wenn du den Mund gehalten hättest.
    Ich hätte mich nicht für die Loser eingesetzt, die es einem sowieso nicht danken. Und du warst auch noch ganz allein. Ich meine – ich habe dich sogar noch angemacht, glaube ich. Weil ich in dem Moment so sauer war, dass du mich aus dem Wasser gefischt hast.
    Also, spätestens da hätte doch jeder normale Mensch gesagt: Leckt mich doch.
    Bist du einfach nur endlos naiv oder endlos mutig? Ich hab keine Ahnung, was da in dir vorgegangen ist, und du kannst es mir auch nicht sagen. Jetzt nicht.
    Ich weiß, dass du mich hören kannst. Nicht das, was ich sage, das nicht. Aber du kriegst mit, wer hier ist.
    Ich weiß das.
    Die Schwester hat mich wiedererkannt. Klar, das konnte ja fast nicht anders sein. Ich habe natürlich gebetet, dass jemand anderes da ist. Das Personal auf der Intensivstation wechselt häufig. Ist wahrscheinlich einfach zu heftig, ständig diese Toten und Sterbenden und die Dramatik. Und dann die Angehörigen, die ausrasten oder zusammenbrechen.
    Ich bin froh, dass Miriam dich pflegt. Sie ist die beste, die es gibt.
    Aber ich bin mir sicher, wenn ich nachher rausgehe, lässt sie mich nicht einfach so weg. Vielleicht hat sie sogar das Jugendamt schon angerufen. Das wollte sie damals schon machen, glaube ich.
    Zweimal war meine Mutter auf der Intensiv. Zum Glück war es ein anderes Zimmer, ich weiß nicht, ob ich sonst bis hier reingegangen wäre. Das letzte Mal dachten alle, sie schafft es nicht. Aber sie hat es immer geschafft. Das Einzige, was sie nicht schafft, ist, den Alten zu verlassen. Das kriegt sie nicht hin. Weißt du, was sie gesagt hat, als sie aufgewacht ist?
    Wer bringt ihn denn jetzt ins Bett.
    Das war ihr erster Satz! Das ist krank, oder nicht? Echt krank.
    Vielleicht hat sie da auch noch nicht kapiert, dass sie auf dem rechten Auge blind ist. Waren ja noch die Verbände drum, sie konnte ohnehin die Augen nicht aufmachen.
    Er war ja zu besoffen, um noch mitzukriegen, womit er eigentlich auf sie eindrischt.
    Ich habe sie ins Krankenhaus gefahren mit seinem Wagen. Wenn ich in die Nähe des Telefons gekommen wäre, hätte er mich totgeprügelt. Ich habe sie aus dem Haus geschleift. Sie wiegt ja kaum was.
    Das Autofahren hat mir Lars beigebracht. Bei dem hänge ich manchmal ab, ist der Einzige, der vielleicht so was Ähnliches wie ein Freund ist.
    Aber das interessiert dich wahrscheinlich alles nicht.
    Meiner Mutter habe ich damals immer von der Schule erzählt. Also, eigentlich habe ich Geschichten erfunden. Von Freunden, die ich nicht hatte, und Dingen, die ich niemals getan habe. Sachen, von denen ich weiß, dass sie sie gerne gehört hätte.
    Ich weiß gar nicht, was ich jetzt machen soll. Wohin Denise und ich gehen sollen. Meine Eltern wissen ja nicht, dass die Freizeit schon vorbei ist. Denken, wir kommen erst am Sonntag wieder. Vielleicht drücke ich mich noch ein bisschen rum. Dann muss ich Denise aber mitnehmen. Wer weiß, was sonst mit ihr abgeht. Vielleicht bleibe ich ja auch einfach im Krankenhaus.
    Weißt du, was Miriam gesagt hat, damals, als meine Mutter hier lag?
    Sie meinte, Kinder seien der beste Grund, wieder aus dem Koma aufzuwachen, und sie glaube, dass meine Mutter wegen uns zurückkommen würde. So war es dann auch. Sie kam zurück – aber ob das wegen uns war? Meine Mutter ist ein Wrack seitdem, aber das war sie vorher ja auch schon.
    Miriam ist wirklich nett, aber manchmal habe ich sie gehasst. Meine Mutter hätte lieber gehen sollen. Das wäre besser gewesen. Und auch wenn niemand hören darf, dass ich das jetzt sage: Überleg dir gut, ob du zurückkommst. Vielleicht ist es auf der anderen Seite ja schöner als hier.
    Ich will nicht dafür verantwortlich sein, wenn du dich fürs Leben entscheidest und dich dann vielleicht jeden Tag fragst, ob das die falsche Entscheidung war. Keine

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