Wach auf, wenn du dich traust
»Hat sich schon die letzten Gehirnzellen weggekifft, was glaubt ihr, warum dem die Haare so wachsen? Das kommt vom Dünger!«
Max lachte laut los und stieß dabei an Jennys Arm, sodass der Eintopf beinahe auf ihren Klamotten gelandet wäre.
»Pass doch auf«, murmelte sie, doch Max schien es nicht zu hören. Auch Deborah kicherte nach Silvios Bemerkung drauflos. Jenny bemerkte, wie sie bewundernd zu ihm aufblickte. Die hatte es offenbar total erwischt.
Im Grunde fand Jenny Silvios Witz ziemlich müde, doch sie hatte jetzt keine Lust, etwas zu sagen.
»Und du? Debbie-Freundin? Kommst du mit?«, sagte Silvio in ihre Richtung.
Einen Moment lang war Jenny versucht, Nein zu sagen. Nicht dass sie was gegen das Kiffen gehabt hätte. Sie fand es noch nicht einmal besonders verwegen. Von allen Menschen, die sie kannte, wussten ihre Eltern vermutlich am besten übers Kiffen Bescheid. Hin und wieder hatte Jenny sogar mitgeraucht, aber das Gefühl nicht sonderlich gemocht.
»Oder bist du was Besseres, so als Rettungsschwimmerin?«, fragte Silvio lauernd. Jenny merkte erst jetzt, dass ein Lächeln über ihr Gesicht gehuscht war.
»N-nein«, stotterte sie und kam sich plötzlich unbeholfen vor, »ich komme mit, klar.« Sie schob sich einen vollen Löffel in den Mund, um nichts mehr sagen zu müssen.
»Gut«, sagte Silvio, »um halb elf bei der Waldhütte.«
»Och, warum denn nicht irgendwo bei den Zelten«, beschwerte sich Deborah.
»Weil Markus ein scharfer Hund ist, Kleine«, erwiderte Silvio. »Und der hat sein Zelt nun mal direkt hinter unserem, capisce? Es ist sicherer, wenn wir getrennt in den Wald gehen, dann fällt es nicht so auf.«
Deborah beeilte sich zu nicken.
»Wo ist Miro eigentlich?«, fragte Pauline.
»Der hängt mit den Pennern rum.« Max wies mit dem Kopf in Richtung der Feuerstelle. Jenseits des Lichtscheins saßen Finn, Miro, Ben, Luzia, Greta, Matthias und Hendrik zusammen. Die anderen Mädchen und Beate hatten es sich auf einer Bierbank vor dem Mädchenzelteingang gemütlich gemacht und schienen andächtig Markus’ Heldengeschichten zu lauschen, die er vermutlich vom Stapel ließ.
»Hey, Miroslav!«, rief Silvio auf die andere Seite. Silvio sprach den Namen betont osteuropäisch aus und rollte das R extrem.
Miro sah auf und Silvio bedeutete ihm mit einer Handbewegung herzukommen. Betont lässig schlenderte Miro mit seinem Teller in ihre Richtung.
»Ein paar Agenten klar für heute Abend?«, fragte Silvio. Miro kratzte die letzten Reste aus seinem Blechnapf. Dann leckte er den Löffel ab.
»Von mir aus«, sagte er, »wer ist dabei?«
»Alle hier«, antwortete Silvio und deutete auf die Gruppe, die um ihn geschart war. Miro zuckte mit den Achseln. »Okay«, sagte er schlicht, dann drehte er sich um und ging wieder zurück.
Jenny blickte ihm nach. Sie hatte nicht den Eindruck, dass es Miro sonderlich wichtig war, mit wem er sich abgab. Für seinen Spaß sorgte er offensichtlich selbst. Er schien einen unsichtbaren Mantel um sich zu tragen, unter dessen Schutz er sich jeglicher Hackordnung entzog. Max’ Sticheleien und Silvios lautstarkes Getue perlten einfach an ihm ab. Vielleicht ist das die Lösung, dachte Jenny. Vielleicht nehme ich alles und jeden zu ernst. Sie versuchte, ein fröhliches Gesicht aufzusetzen.
Einen kurzen Moment lang verspürte sie den dringenden Wunsch, aufzustehen und auf die andere Seite der Feuerstelle zu gehen, dorthin, wo Miro, Finn und die anderen saßen.
Doch sie wagte es nicht. Sie wäre sich wie eine Verräterin vorgekommen, die das Lager wechselte.
»Und die anderen?«, meldete sich Tino zu Wort, der bisher geschwiegen hatte. »Sollten wir denen nicht auch Bescheid sagen?«
»Wem? Den Kicherbrüdern? Die sind doch schwul, das ist nichts für die. Sonst gehen die sich noch an die Wäsche. Und da will ich wirklich nicht dabei sein«, sagte Silvio.
Die anderen prusteten los.
»Saskia weihe ich ein«, sagte Pauline. »Von den Mädchen will sonst eh keine mit.« Das Wort Mädchen zog sie übertrieben in die Länge und wedelte dabei geziert mit den Fingern. »Und Finn und Sebastian?«, fragte Pauline.
»Die Helden? Bin doch nicht lebensmüde«, sagte Silvio. »Wenn die heute was rauchen, kriegen sie morgen gar nichts mehr gebacken. Wegen denen verlieren wir nicht den Stein, den wir bei Markus im Brett haben, oder?«
Keiner widersprach.
»Ben sag ich Bescheid«, sagte Frederik. »Und dann gehe ich mit ihm und diesem Küken hier ins Dorf und besorge was zu
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