Wach auf, wenn du dich traust
unregelmäßigen Knistern, wenn jemand an Zigarette oder Joint zog.
Jenny bemerkte plötzlich, wie angespannt sie die ganze Zeit gewesen war. Die Muskeln ihres Körpers schmerzten und sie wurde das Gefühl nicht los, dass das nicht nur vom Rudern kam. Gerne hätte sie die Szene auf dem Fluss angesprochen. Sie hätte gerne gewusst, was die anderen dachten.
Nein, sagte eine kleine hartnäckige Stimme in ihrem Ohr, das willst du gar nicht wissen.
Also schwieg Jenny.
»Der Baum dahinten sieht aus wie ein riesiger Gartenzwerg«, sagte Tino plötzlich.
Ein paar Sekunden antwortete niemand. Dann brach Debbie in ein infernalisches Gelächter aus. »Gartenzwerg«, prustete sie. »Tino, du bist echt ’ne Jungfrau!« Sie kriegte sich kaum wieder ein.
»Aber er hat recht, Debbie«, sagte Miro, der bereits wieder mit dem Anlecken von Zigarettenpapieren beschäftigt war. »Sieht wirklich aus wie ein Gartenzwerg.« Er begann ebenfalls zu lachen.
Tino scheint nicht viele Freunde zu haben, dachte Jenny, und die Tatsache, dass ein Satz von ihm so dermaßen gut ankam, ließ ihn offensichtlich euphorisch werden. Sie spürte, wie er zappelig neben ihr wurde, und dann legte er nach: »Nicht irgendein Gartenzwerg, ein kiffender Gartenzwerg! Der hat ’nen Joint, seht ihr!«
Plötzlich lachte auch Silvio los, dann Tino, Ben und Saskia. »Gartenzwerg«, stammelte Debbie völlig außer Atem. Sie konnte sich nun kaum noch im Sitzen halten vor Lachen.
Jenny sah nach oben. Der Schatten eines Baumes ragte wie eine überdimensionale Zipfelmütze in den vom Mond schwach erleuchteten Himmel. Jenny musste schmunzeln und spürte, wie die Anspannung des Tages langsam von ihr abfiel. Sie warf einen Blick zu Frederik hinüber, der seltsam unbeteiligt an einer Zigarette zog.
»Gartenzwerg«, kicherte Debbie immer noch, »ich fass es nicht. Wie seid ihr denn drauf!«
»Und das da ist ’ne Oma«, sagte Ben und zeigte auf einen anderen Schatten.
»Wo?«, fragte Debbie und wischte sich vorsichtig die Tränen aus den Augen. »Ich seh nix!«
»Da oben«, bestätigte Miro und zeigte in die Baumwipfel. »Mit Handtäschchen.«
Sie brüllten los.
Miro hatte einen zweiten Joint angesteckt und reichte ihn Jenny. Sie griff heftig kichernd danach. »Leise«, prustete Debbie in dem verzweifelten Versuch, ihren Lachanfall wieder unter Kontrolle zu bekommen, »wir müssen leise sein.«
Einen Moment lang hielten alle krampfhaft den Atem an. Dann hörte man Miros Gegluckse hinter der vorgehaltenen Hand.
Alle lachten wieder los. Sogar Frederik grinste und suchte den Horizont ab, als wolle er noch weitere seltsame Bewohner ausfindig machen.
Irgendwann ebbte das Gelächter ab. Jenny wollte sich mit den Handballen über die Augen wischen, bremste sich aber im letzten Augenblick, damit sie die Schminke nicht verschmierte. Die Gruppe war enger zusammengerückt und einen wunderschönen Moment lang hatte sie das Gefühl, als habe es keinen Streit zwischen Debbie und ihr gegeben. Als sei alles nur eine Frage der Sterne und Gartenzwerge und Baum-Omas mit Handtäschchen. Wenn man riesenhafte Gartenzwerge und Baum-Omas sah, konnte man endlich auch mal über Sachen lachen, für die man eigentlich viel zu cool war. Jenny nuckelte gedankenverloren an ihrer Bierflasche. Eigentlich mochte sie Bier nicht einmal besonders, stellte sie plötzlich fest und stellte die Flasche vor sich auf dem Boden ab.
Während sie ihren Gedanken nachgehangen war, hatte sie nicht bemerkt, dass Debbie und Silvio angefangen hatten herumzuknutschen. Jenny bekam einen Kloß im Hals und wandte den Blick ab. Der Abend war zu schön, um an unangenehme Dinge zu denken, mochten sie Tizian heißen oder Streit mit Deborah. Sie atmete tief ein und versuchte, zwischen den Baumwipfeln hindurch einen Blick auf die Sterne zu erhaschen.
Tino stand auf und ging in die Dunkelheit. Kurze Zeit später hörte man einen Wasserstrahl.
»Mach dich nicht nass!«, rief Max und lachte, doch niemand wollte so recht einstimmen. Silvio und Deborah waren ohnehin zu beschäftigt.
»Au!«, rief Deborah plötzlich leise. »Spinnst du?« Sie rieb sich die Lippen. Von Silvio kam zur Antwort ein Lachen. »Komm schon«, flüsterte er und neigte sich näher an Debbies Ohr. Jenny konnte nicht verstehen, was er nun sagte, doch es schien Debbie zu besänftigen. Sie ließ zu, dass er sie wieder küsste.
Tino kam zurück. »Was machen wir eigentlich morgen?«, fragte er.
»Irgendwas Germanenmäßiges«, erwiderte Max.
»Wir
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