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Wach nicht auf!: Roman (German Edition)

Wach nicht auf!: Roman (German Edition)

Titel: Wach nicht auf!: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess McConkey
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ihre sterbende Freundin.
    Schließlich gestattete Sam es ihrem Blick, zum Gesicht der Frau zu wandern. Sie packte das Bettgitter und beugte sich tiefer über sie. Ja, sie konnte ein wenig von Blanche im Antlitz der Frau erkennen, aber nicht viel. Die Vitalität und die sexuelle Ausstrahlung, die so sehr zu Blanche gehört hatten, waren verschwunden. Ihr rotes Haar hatte seinen Glanz verloren. Es war von Grau durchzogen und lag ihr in Strähnen um den Kopf; das Gesicht hing auf der einen Seite schlaff herab, so dass der Mund schief verzogen war.
    Ein Gefühl der Traurigkeit überkam Sam. Diese Frau war so schön gewesen, aber ihre Schönheit hatte ihr keine Freude bereitet. Blanche hatte sie einfach als Werkzeug benutzt. Etwas, was sie gebrauchte, um ihre Ziele zu erreichen. Nach allem, was man hörte, war Blanche nicht dumm gewesen. Warum hatte sie nicht auf ihren Verstand vertraut statt auf ihre Schönheit? Das, was sie wollte, hätte sie sich aus eigener Kraft verschaffen können, statt jemanden zu suchen, der es ihr gab. Sam packte das Bettgitter fester und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Ich bin so müde , dachte sie und legte den Kopf zwischen die Hände, die noch immer das Bettgitter hielten.
    Plötzlich spürte sie, wie eine krallenartige Hand herausschoss und ihr Handgelenk packte. Zwei boshaft glühende grüne Augen starrten sie aus dem Gesicht an, das auf dem Kopfkissen lag. Nein, das musste eine Halluzination sein, dachte sie und versuchte sich der Hand zu entziehen, die sie gepackt hielt.
    Die Finger schlossen sich fester um ihr Handgelenk, und fluchend spürte Sam, wie eine fremde Energie ihren Arm hinaufglitt. Sie presste die Augen zusammen, und Bilder schossen ihr durch den Kopf.
    Sie kniete im Dunkeln auf einem Steg … die rauen Planken schnitten ihr in die Knie … eine Frau flehte um Gnade … die wütende, irgendwie vertraute Stimme eines Mannes, der Flüche in die Nacht hinausbrüllte … schreckliche Schmerzen, als Hiebe auf sie herabregneten … Dunkelheit, gefolgt von einer feuchten Kälte, die in ihr Inneres eindrang … und endlich … nichts. Ein großer Schacht des Nichts.
    Sie spürte, wie sie tiefer in dieses Loch sank. Ein Gefühl der Panik überwältigte sie, und sie wusste, dass sie sich wehren musste, wenn sie jemals von diesem Ort zurückkehren wollte. Sam kämpfte darum, die Augen zu öffnen und ihr Handgelenk dem Griff zu entreißen, der sie wie ein Schraubstock gepackt hielt. Ihre Energie schwand, und sie spürte, wie ihre Hände sich vom Bettgitter lösten. Sie glitt vorwärts, ins Vergessen hinein.
    Sie riss die Augen auf, als ihre Knie auf den harten Fliesenboden krachten. Tief Luft holend, versuchte sie, ihr Keuchen in den Griff zu bekommen. Mein Gott, was für ein Traum! Sie kniete eine Weile zitternd auf dem Boden. Schließlich packte sie das Bettgitter wieder und zog sich langsam hoch. Der Raum wirkte für ihren benommenen Blick unverändert. Sie befand sich noch immer in Blanches Zimmer. Dann richtete sie die Augen auf den Liebesblutstrauß.
    Die vorhin so lebhaft roten Blüten wirkten nun verblasst, und die grünen Blätter hingen schlaff über den Rand der Vase herab. Der Strauß schien innerhalb von kürzester Zeit verwelkt zu sein.
    Sams Blick flog dorthin, wo Blanche eben noch im Bett gelegen hatte.
    Sie hatte sich nicht bewegt. Die Bettdecke war noch immer bis zum Kinn hochgezogen, und ihre Hände lagen ordentlich neben ihr. Aber die Brust hob und senkte sich nicht mehr.
    Zögernd gestattete Sam ihrem Blick schließlich, zum Kopfende des Bettes zu wandern.
    Blanches Augen waren geschlossen, und ihr Gesicht war ruhig. Ihr Mund war nicht mehr verzerrt. Vielmehr waren die Lippen im Gesicht der Toten zu einem Lächeln verzogen.

31
    Es ist zu Ende , denke ich, als die Müdigkeit mich übermannt. Es gibt keinen Ausweg. Die Vergangenheit wiederholt sich, und das Motiv meines Lebens setzt sich fort. Wie schon so viele Male war der Erfolg beinahe in Reichweite und verweilt noch als süßer Nachgeschmack in meinem Mund. Fast hätte ich ihn greifen können, aber auch jetzt wieder hat das grausame Schicksal ihn mir im letzten Augenblick genommen. Und mein Leben bricht in tausend Einzelteile auseinander. Aber diesmal habe ich nicht die Kraft, die Scherben aufzulesen und weiterzumachen.
    Ich sehe mein Spiegelbild und bin entsetzt. Gehetzter Blick und zerzaustes Haar. Mit einem harten Lachen schenke ich mir noch einen Drink ein.
    Hatte ich gesagt, dass das Schicksal meine

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