Wachgeküßt
zu wollen. Aber sie ist eine ganz Süße und darf sich deshalb auch zu unseren Freunden zählen, solange sie verspricht, nicht zu blendend auszusehen, wenn wir zusammen ausgehen. Doch selbst mit einer schäbigen alten Strickjacke und Jeans, in denen ich wie eine Pennerin aussehe, schafft sie es, sexy zu wirken, als wäre es reines Understatement. Wie gut, daß wir sie zu sehr lieben, um sie zu hassen, sonst würde ich sie wirklich hassen.
Wir treffen sie in einem unserer Lieblingspubs, einer malerischen, alten Spelunke am Fluß, deren Steinwände von enormen, schwarzen Metallstangen zusammengehalten werden, wie ein geschientes Bein. An diesen Wänden sind so viele hängende Blumenkübel angebracht, daß das Gebäude unter ihrem Gewicht fast in sich zusammenzusinken scheint. Serena sitzt an der Bar, wo ein pickeliger junger Barmann sie vollabert. Wir boxen uns durch die samstägliche Menge der Nachtschwärmer, um zu ihr zu gelangen.
»Schwein!« ist das allererste, was sie zu mir sagt, bevor sie mich umarmt.
»Ich vermute mal, daß du von Max redest, nicht von mir?« erwidere ich trocken.
»Alles in Ordnung, meine Liebe?« fragt sie sanft, als würde sie mit einem Kind sprechen, das gerade hingefallen ist und sich
das Knie aufgeschürft hat. Jeden Augenblick wird sie mir eine Packung Smarties anbieten, um mich zu trösten. Ich irre mich. Sie bestellt statt dessen einen doppelten Wodka für mich.
»Mein Gott, Männer sind solche Schweine!« wiederholt sie, während wir nach draußen in den Garten steuern. Sie redet mit unglaublich lauter Stimme und achtet dabei nicht auf die zahlreichen Vertreter des anderen Geschlechts, die auf Bänken herumsitzen und Lagerbier schlürfen.
»Ist doch wahr!« stimmt Emma im Brustton der Überzeugung zu. Auch sie hat von Serena ein großes Glas Wodka-Lemon mit Cola und Eis bekommen und läßt sich nun neben mir auf der wackeligen Bank nieder.
»Ich kann einfach nicht glauben, daß Max so etwas tut...«
»Ich schon.« Verächtlich lutscht Emma an einem Eiswürfel.
»Wie furchtbar für dich, so unvorbereitet auf die beiden zu stoßen.«
»Nicht gerade der schönste Moment in meinem Leben, das kannst du mir glauben!« bemerke ich trocken und nehme einen tiefen Schluck.
»Du brauchst einen anderen Mann«, stellt sie mit Nachdruck fest. »Ich sage immer: Der beste Weg, über einen Mann hinwegzukommen, ist, sich einen neuen zu angeln.«
»Hast du nicht gerade festgestellt, daß alle Männer Schweine sind? Außerdem will ich keinen neuen Mann«, erwidere ich und starre in die verschleierten Tiefen meines Drinks. »Der letzte hat bei mir einen säuerlichen Nachgeschmack hinterlassen.«
»Hmm.« Serena reißt eine Tüte Chips mit Bacon auf und schaut mich nachdenklich an.
»Ich wollte es damals nicht offen aussprechen, aber ich habe nie geglaubt, daß er der Richtige für dich ist«, sagt sie schließlich, den Mund voller Krümel.
Nicht schon wieder! Warum sagen sie mir das alle erst jetzt? Warum hat mich früher niemand gewarnt, wenn wir angeblich so
verdammt ungeeignet füreinander waren? Oder handelt es sich dabei nur um das merkwürdige Phänomen, daß alle Freunde und die Familie, sobald man sich von einem Mann getrennt hat, beschließen, er hätte sowieso nicht zu einem gepaßt, so als handele es sich um eine Massenkommunikation auf psychischer Ebene?
»Ohne ihn bist du viel besser dran. Du brauchst jemanden, der... der...« Serena sucht den Himmel nach einer Eingebung ab, aber anscheinend leisten Wattewölkchen in diesem Fall nicht, was sie für den Dichter Wordsworth leisteten. »Der...« wiederholt sie noch einmal.
»Der was?« fragt Emma.
»Ich weiß auch nicht.« Serena zuckt die Achseln und lächelt entschuldigend. »Einer, der von allem ein bißchen mehr zu bieten hat, denke ich mal. Max war so egozentrisch. Das einzige, was ihn an deinem Leben interessierte, war das, was sich um ihn drehte. Ich meine... Wie lange wart ihr eigentlich zusammen? Drei Jahre? Vier?«
»Über fünf Jahre«, murmele ich zaghaft.
»Eben. Fünf Jahre. Ich bin eine deiner besten Freundinnen, stimmt’s? Und ich habe ihn, glaub’ ich, nur zehn oder zwölf Mal gesehen. Genau, zwölf Mal, höchstens... Und das waren zwölf Mal zu viel«, fügt sie kaum hörbar hinzu.
Emma und Serena sehen einander verschwörerisch an. Sie tauschen etwas miteinander aus, das ich zwar mitkriege, aber nicht verstehe.
»Was denn?« frage ich.
Wieder sehen sie sich an, dann schauen sie zu mir.
»Was ist denn
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