Wachgeküßt
Kopf, daß man sie schon als Stauraum verwenden könnte. Alles, was ich zu ihr sage, geht zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Pfff. Ich weiß auch nicht, warum die eingestellt wurde. Sie behindert mich eher, als daß sie mir hilft.«
»Aber sie ist ziemlich attraktiv. Ist wahrscheinlich gut fürs Geschäft.«
»Attraktiv? Meinst du wirklich? Kennst du das Lied? Nice legs...«
»... shame about the face?« fahre ich an seiner Stelle fort und versuche, ein Kichern zu unterdrücken. »Aidan, das ist gemein, so zu lästern.«
»Hh-hm, und genauso gemein ist es, daß ich mit diesem Hohlkopf arbeiten muß.«
»Die Gäste scheinen sie aber zu mögen.« Ich beobachte, wie eine Gruppe von Männern, die vorher langsam an ihrem Bier getrunken haben, plötzlich dazu übergeht, das Flaschenbier runterzustürzen, das im untersten Regal gelagert wird. Jedesmal, wenn sie sich nach unten beugt, um noch eine Flasche zu holen, gewährt sie dem sabbernden Haufen Einblick auf ein Stück schlanken Oberschenkel und eine weiße Spitzenunterhose unter einem Röckchen, das kaum mehr als ein breiter Gürtel ist. O hätte ich doch nur auch so schlanke Oberschenkel, um so einen Rock tragen zu können, denke ich und verspüre einen leichten Stich, weil sie so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht.
»Mmmm, du weißt ja, wie die meisten Männer so sind, Sweetie. Das Hirn sitzt bei denen geradewegs zwischen den Beinen.« Mißbilligend und neidisch verzieht er den Mund. »Ich hab mich doch damals immer mit so einem Typen getroffen – bevor ich mit John ging, also diesem Scheißkerl, der mich sitzengelassen hat. Der war vielleicht eine Schlampe. Der war glatt beidseitig befahrbar, weshalb er natürlich eine viel größere Auswahl hatte, mit wem er bumsen wollte. Ich schwör’ dir, der war so sexbesessen, der hat auch beim Essen, Trinken und Atmen an nichts anderes gedacht...«
Das Grollen hört schlagartig auf. Gerade hat ein Mann den Raum betreten und sich nur wenige Schritte von mir entfernt auf einem Barhoclcer niedergelassen. Aidans bereitwilliges Lächeln ist mit einem Schlag wieder da.
»Das nenne ich einen richtigen Mann.« Er lehnt sich nach
vorne und wispert verschwörerisch, wobei er sich unbewußt über die Lippen leckt. »Aber leider die totale Verschwendung. Der ist so straight, das glaubst du gar nicht. Ich würde ihn ja gerne bekehren, aber dieser Traum wird wohl nie wahr werden.«
Er zwinkert mir zu.
»Na, ich bediene ihn besser mal in der einzig mir erlaubten Art, bevor sie aufkreuzt. Bin gleich wieder da.«
Das blonde Frettchen und Aidan tragen einen Kampf darum aus, wer den Neuankömmling nun bedienen darf, während ich das Objekt ihrer Rivalitäten genauer unter die Lupe nehme.
Er ist Anfang bis Mitte Dreißig, lässig und bequem in Baumwollhosen und ein verwaschenes, grünes Ralph-Lauren-Shirt gekleidet. Er hat braunes Haar, das an den Seiten sehr kurz geschnitten ist, das Deckhaar jedoch etwas länger läßt und von einzelnen grauen Strähnen durchzogen ist. Eine leicht gekrümmte Nase, ein hübscher Mund. Ein attraktives Gesicht, aber es haut mich nicht sofort um.
Ich sehe genauer hin, weil ich zu verstehen versuche, warum Aidan und Frettchengesicht so einen Wirbel um diesen Typ veranstalten. Vielleicht hat er dieses gewisse Etwas, auf das Emma und Serena schwören. Ich muß zugeben, daß da etwas ist. Das süffisante Lächeln wirkt ansteckend, ich habe Lust, mit ihm gemeinsam zu kichern, obwohl ich nicht genau hören kann, über was gesprochen wird.
Was mir am meisten ins Auge sticht, ist seine zufriedene Ausstrahlung. Er sitzt ganz relaxed da, folgt offensichtlich Jems Maxime, mit sich selbst im reinen zu sein, und das besagte süffisante Lächeln taucht immer wieder auf, während er mit Aidan plaudert, der sich bei dem Kampf, wer ihn bedienen darf, durchgesetzt hat.
Ich beschließe, daß dieser Mann wirklich attraktiv ist, er hat das gewisse Etwas. Ich sehe noch ein wenig genauer hin. Er hat blaue Augen, zumindest glaube ich das, denn es ist schwer zu
sagen von meinem Platz aus. Ich schiebe mich noch ein bißchen näher ran. Stimmt, sie sind blau. Na ja, eine Art blaugrün, und der Effekt wird noch dadurch gesteigert, daß sie haselnußbraun gesprenkelt sind. Ein Füllhorn der Farben, die glitzern und sich verändern wie die Muster in einem Kaleidoskop.
Plötzlich wird mir bewußt, daß diese bläulich-grünlichbräunlichen Augen mich ansehen. Er hat mich dabei ertappt, wie ich ihn anstarre. Er
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