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Wachgeküßt

Wachgeküßt

Titel: Wachgeküßt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Harvey
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die Arbeit beginnt. Vielleicht enden wir alle noch in diesen formlosen, blauen, durchnumerierten Anzügen mit Stehkrägen und verbeugen uns vor seinem Bildnis, wenn wir zur Tür hereinkommen. Oder macht man das in Japan und nicht in Hongkong?
    Die radikalste Veränderung aber hat unsere Sandra durchgemacht. Unsere Sand ist nicht mehr die alte. Sie hat sich aus einer dicken, haarigen Raupe in eine... na ja, eine dicke, haarige Raupe in einem schicken Kleid verwandelt.
    Sie trägt etwas, das offensichtlich ein Korsett mit eingearbeitetem Wonderbra ist, der ihre fast nicht vorhandenen Brüste in
eine dekolleté-ähnliche Form zwingt. Vergessen Sie das mit dem Wonderbra. Das muß ein Zauber Bra sein. Wo gibt’s die?
    Sie hat sich den Schnurrbart abrasiert und war beim Friseur: Ihre Haare liegen nun in zahlreichen, kleinen Löckchen um ihre Stirn und wippen vorteilhaft über ihr Gesicht, um eine ganze Menge Sünden zu kaschieren, zu denen der hohe Haaransatz, die Lachfalten und mehrere geplatzte Äderchen gehören. Und sie hat ihren massigen Körper in ein geblümtes Chiffonkleid gehüllt, das so feminin, fließend und durchscheinend ist, daß sie sich noch einen passenden Hut dazu aufsetzen und durch die Gärten des Buckingham Palastes schweben sollte, in der einen Hand eine Tasse aus erlesenem Porzellan mit Earl-Grey-Tee, in der anderen ein Erdbeertörtchen. Die absolute Veränderung gegenüber ihren üblichen formlosen, ausgebeulten Strickjacken, soviel ist mal sicher.
    Der neue Boß ist ganz offensichtlich eine Verbesserung im Vergleich zu unserem rüden Rodney, wenn er bei unserer Sand solch eine erstaunliche Verwandlung auslöst.
    Sogar ihre Stimme klingt nicht mehr wie knirschender Kies in einer Kaffeemühle, als sie mich beim Hereinkommen mit einem »Hallo« begrüßt. Sie hört sich jetzt tief, leise und heiser an, weil sie nicht als Mannweib dastehen will.
    Ich beschließe, sie ein bißchen auszufragen.
    »Na, wie ist er denn so, unser neuer Boß?«
    »Oh, Mr. Daniels ist ein ganz, ganz wunderbarer Mann!« Sie strahlt.
    Das ist völlig untypisch für Sandra. Sie pflegt Leute nicht Mr. Soundso zu nennen, nie würde sie jemanden als ganz, ganz wunderbar bezeichnen, und sie strahlt andere Leute einfach nicht an. Ich gelange zu der Erkenntnis, daß die echte Sandra von Außerirdischen entführt worden ist, und just in dem Augenblick, da wir uns unterhalten, werden an ihrem ausgestreckten Körper seltsame Experimente durchgeführt, während diese Replikantin hier
wie eine Neuzüchtung aus der biederen Prinzessin Margret und der Speerwerferin Fatima Whitbread durchs Büro schwebt. Ob ich diese Sensation wohl an die Klatschpresse verhökern könnte? frage ich mich.
    Sandras Haustelefon klingelt.
    »Ja, hier ist Sandie. Aber natürlich, Mr. Daniels. Sofort, Mr. Daniels.«
    Ich bleibe mit offenem Mund zurück, als Sandie (?!?) mehr oder weniger hüpfend im innersten Heiligtum verschwindet. Sie erinnert mich an eine griesgrämige, alte Mähre, die sich bei der Ankunft eines geschmeidigen, jungen Hengstes in eine ausgelassene, junge Stute verwandelt. Unser neuer Boß muß schon etwas ganz Besonderes sein, um einen so radikalen Einfluß auf Sandras Hormonhaushalt zu haben. Das könnte interessant werden. Aber nur weil Sandra offensichtlich schon ganz betört von ihm ist, muß das noch nicht heißen, daß er wirklich süß ist. Sie hat nämlich einen ziemlich zweifelhaften Geschmack in bezug auf Männer, wenn man bedenkt, daß sie achtzehn Jahre lang ein Bild von Barry Manilow in ihrer Geldbörse herumgetragen hat.
    Ich versuche, einen Blick in das Innere des Heiligtums zu erhaschen, aber Sandra schlüpft hinein wie ein munteres Lamm und zieht eiligst die Tür hinter sich ins Schloß, Die Jalousien sind alle heruntergelassen und verleihen Rodneys altem Büro eine Aura des Privaten, Mysteriösen. Ich kann zwar nicht hineinsehen, mir aber lebhaft vorstellen, wie Sandra – sorry, Sandie – ihren Hintern auf eine Ecke des Schreibtischs hievt, ihre wuchtigen Oberschenkel in den neuen Nahtstrumpfhosen übereinanderschlägt und sich für ein Diktat oder einen anderen schnellen Job bereithält.
    Allmählich mache ich mir Sorgen.
    Ich pirsche mich wieder zu Marys Platz. Sie ist gerade dabei, sich durch einen Stapel Farbfotos von unterschiedlichen Cremetorten zu arbeiten, die der Große Eric aufgenommen hat.

    »Ist er wirklich so nett, oder hast du mich bloß auf den Arm genommen?«
    »Wer?« Mary schaut von einem großen Klacks

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