Wachgeküßt
und sanft über die glatte, fest Haut seines Rückens gleiten. Dann zucke ich zurück, so als ob ich etwas Verbotenes getan hätte.
Himmel, bin ich durcheinander.
Ich will mich nur noch anziehen und so schnell wie möglich hier raus.
Ich will ihm meine Telefonnummer dalassen.
Nein, ich will darauf pfeifen, am Montag wieder zur Arbeit zu gehen, um hier in diesem warmen, einladenden Hafen mit meinem gerade gefundenen Liebesgott für immer ausharren zu können.
Er rührt sich, sein Mund bewegt sich lautlos im Schlaf.
Ich sehne mich danach, ihn wieder zu küssen, seinen Mund auf meinem zu spüren...
Ich darf ihn nicht aufwecken. Wie kann ich ihm jemals wieder ins Gesicht sehen, nachdem... nachdem... Ich spüre, wie sich alles in mir zusammenzieht. Ein komisches Gefühl, wenn der Kopf einem befiehlt abzuhauen, der Körper aber darum bettelt, dazubleiben und es noch mal zu tun, und zum Teufel mit den Konsequenzen, zum Teufel damit, daß man einem fast gänzlich fremden Menschen ins Gesicht sehen muß, der mehr von einem gesehen hat als... Zeit zu gehen. Außerdem weiß ich ja immer, wo ich ihn finden kann, oder?
Ich summe »aufreißen und abhaken, aufreißen und abhaken« vor mich hin wie ein Mantra, ziehe mein durchweichtes Kleid an und haste zurück in mein Zimmer, wo ich mit ichtgeschwindigkeit zusammenpacke.
Unten wecke ich den dösenden Nachtportier, begleiche meine Rechnung und schleiche mich zum Parkplatz.
Die Nacht hat gerade den Punkt erreicht, an dem sie in den Tag übergeht und der Mond für kurze Zeit heller erscheint als die Sonne, bevor er dann allmählich im Schatten verschwindet und blaß und unbedeutend neben ihrem Glanz wirkt.
Ich habe nur etwa zwei Stunden geschlafen, aber ich komme mir vor, als würde ich ein paar Zentimeter über dem Boden schweben und leichtfüßig über eine Hüpfburg schreiten.
Ich pfeife auf die Theorie, soeben habe ich nämlich die wahren Freuden beim Sex kennengelernt.
Mein nächster Halt führt mich zu diesem schrecklichen Ferienpark. Ich werde einen halben Tag zu früh an einem Ort ankommen, wo ich eigentlich gar nicht hin wollte, aber ich singe während der ganzen Fahrt auf der M5.
6
Ich schleppe Koffer, Reisetasche, Laptop und meine Wenigkeit die Treppe hinauf und breche müde, aber glücklich auf der letzten Stufe zusammen.
»Haaallllooooo.« Emma kommt aus der Küche gelaufen. Sie winkt mit einem kartoffelverkrusteten Mixstab und umarmt mich liebevoll, wobei sie mir in ihrer Begeisterung Kartoffeln ins Haar schmiert.
»Mensch, es kommt mir vor, als wärst du eine Ewigkeit weggewesen«, ruft sie und quetscht noch die letzte Unze Kraft aus meinem völlig zermarterten Körper. »Ich hab dich echt vermißt.«
Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll, daß sie mich vermißt hat, oder ob ich mich ärgern soll, weil sie darüber so erstaunt zu sein scheint.
Sie läßt mich los und schleckt nachdenklich Kartoffeln von ihren Fingern.
»Ich muß mich wohl daran gewöhnt haben, ständig dein miesepetriges Gesicht um mich zu haben...«
Alles klar, ich entscheide mich für Verärgerung. Ich versuche, ein beleidigtes Gesicht zu machen, aber es gelingt mir nicht. Dieses dämliche Grinsen hat sich auf meinem Gesicht breitgemacht und weigert sich strikt, wieder zu verschwinden. Da sitzt es jetzt schon seit acht Tagen und hat wunderbarerweise das Abenteuer im Ferienpark Howkins Holiday überlebt, offensichtlich nicht abzuschrecken durch das obligatorische Minigolfspielen, den hawaiianischen Abend mit Plastikbaströckchen und Piña Coladas,
die aus Piña und sonst nichts bestanden, den frühmorgendlichen zwanzig Dezibel lauten Weckrufen aus dem Dreihundertsechziggradlautsprecher und den Alleinunterhalter, der so blau war wie eine Flasche Curaçao Blue und ungefähr so lustig wie eine besonders schmerzhafte Regelblutung.
Ach, und dann war da ja noch das gemeinsame Singen beim Abendbrot. Zwei Strophen von Oh, I do like to be beside the seaside – Oh, wie schön ist’s aM Meer, bevor man in den zweifelhaften Genuß eines sogenannten Schafhirtenauflaufs mit Kartoffelbrei und Erbsen kam, die auch gekocht noch genauso steinhart waren wie gefroren. Und trotzdem grinse ich immer noch wie ein übereifriger Jim Carrey.
Emma sieht mich neugierig an.
»Da ist noch etwas, was ich seit längerem nicht gesehen habe.« Sie nimmt mein Lächeln so genau in Augenschein, als wäre sie ein Experte auf einer Antiquitätenauktion. »Das Lächeln der Alex Gray, ein ganz seltenes
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