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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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furchtbar leid, aber ich glaube, ich habe nicht verstanden.«
    » Alk , Lover, Alkohol. Whisky.«
    »Oh, vielen Dank. Alkohol. Alk.« Er lachte. »Ja? wahrhaftig, ich möchte gern einen Alk. Doch eine ganz schöne lange Fahrt von Bath. Knifflig , wissen Sie. Diese schmalen Straßen und engen Kurven. Alk . Ha, ha.«
    Mätresse? Nymphomanisches Zimmermädchen? Inzestuöse Schwester? Eine Zigeunerhure, die aus den Wäldern hereingeschlichen war? Einen Fünfer pro Nummer und ein Gratisbad hinterher?
    »Sie sollten’s erst mal zu Fuß versuchen.« Hinter ihm ragte, das Glas in der Hand, die hochgewachsene Gestalt massig auf. Wenn wir die gleiche Größe haben, dachte Cassidy, wieso bist du dann größer? »Acht verdammte Stunden haben wir gebraucht, und die ganzen gottlosen Kutschen rasen vorbei und drücken uns ins Gebüsch. Da kann einer schon zum Trinker werden, das sag’ ich Ihnen.« Der Dialekt verstärkte sich. »Aber Sie würden das nicht tun, wie, Lover? Uns in den Graben schubsen und nicht mal anhalten zum Knochensammeln?«
    Ein Call-Girl vielleicht, von einer unreellen Agentur hier herausgeschickt? Frage: Wie kann man nach einem Call-Girl telefonieren, wenn das Telefon gesperrt ist?
    »Bestimmt nicht. Ich bin ein entschiedener Anhänger des defensiven Fahrstils.«
    »Tatsächlich?«
    Die dunklen Augen schienen mit dieser Frage noch tiefer in Cassidys wehrloses Bewußtsein vorzustoßen.
    »Ehm, mein Name ist Cassidy«, sagte er, mehr um es sich selber zu bestätigen, als um sich seinem Gastgeber vorzustellen.
    »Cassidy? Himmel, was für ein reizend landesüblicher Name. He, waren Sie der, der die vielen Banken ausgeraubt hat? Stammt daher Ihr vieles Geld?«
    »Leider nicht«, sagte Cassidy wendig. »Ich mußte schon ein bißchen schwerer dafür arbeiten.«
    Seine eigene Schlagfertigkeit machte ihn kühn, und er unternahm nun eine ebenso unverhohlene Musterung seines Gastgebers, wie er sie selber vor kurzem über sich hatte ergehen lassen müssen. Das Gewand, das die dunklen Beine umhüllte, war weder ein Rock noch ein Badetuch, auch kein Kilt, sondern ein sehr alter Vorhang, mit verblichenen Schlangen bestickt und an den Kanten zerrissen, wie von zornigen Händen. Er trug ihn hüftfrei, vorn tiefer und im Rücken höher, wie ein Mann, der sich anschickt, im Ganges zu baden. Die Brust unter dem schwarzen Jackett war nackt, aber mit Büscheln üppigen schwarzen Haares geziert, das sich in einer schmalen Linie über den Magen hinunterzog, ehe es sich wieder zu einem deutlichen und dunklen Vlies verdichtete.
    »Recht so?« erkundigte sich sein Gastgeber und reichte ihm ein Glas.
    »Wie bitte?«
    »Shamus mein Name, Lover. Shamus .«
    Shamus. Shamus de Waldebere … Im Debrett nachschlagen.
    Vom Korridor her hörte Cassidy Frank Sinatra ein Mädchen aus Denver besingen.
    »Hei, Helen«, rief Shamus über Cassidys Schulter. »Es ist doch nicht Flaherty, sondern Cassidy. Butch Cassidy. Will das Haus kaufen, nun, nachdem der arme Onkel Charlie tot und begraben ist. Cassidy, Bruderherz, begrüßen Sie hier eine höchst liebreizende Dame, einstens von Troja, jetzt herabgestiegen in den niedern Stand …«
    »Sehr angenehm«, sagte Helen.
    »Der Ehe«, sagte Shamus.
    Sie war bedeckt, wenn auch nicht vollständig bekleidet. Ehefrau , dachte er mürrisch. Hätte ich mir gleich sagen können, Lady Helen de Waldebere, und aus der Traum.
     
    Nicht einmal für einen Formalisten wie Cassidy gibt es feststehende Regeln dafür, wie man eine hochgeborene Dame begrüßt, die einem kurz vorher nackt in einem Korridor begegnet ist. Er brachte mit Mühe ein Grunzen zustande, dazu ein wässeriges akademisches Grinsen und ein Zusammenkneifen der Augen, das denen, die seine Zeichen zu deuten wußten, sagen sollte, hier steht ein stark kurzsichtiger Mensch mit minimaler Libido vor einer Person, die seiner Aufmerksamkeit bisher entgangen war. Helen hingegen, die Aussehen und guten Stall auf ihrer Seite und im Ankleidezimmer genügend Zeit zum Überlegen gehabt hatte, trug souveräne Gefaßtheit zur Schau. Sie trug einen Hausmantel von frommer Einfachheit. Ein hoher Kragen umschloß den edlen Hals, Spitzenmanschetten fielen um die schlanken Handgelenke. Das rotbraune Haar fiel lang herab wie Julias Flechten, und ihre Füße waren noch immer nackt. Die Brüste, die er ungeachtet seiner simulierten Kurzsichtigkeit nicht übersehen konnte, waren halterlos und bebten leise, wenn sie sich bewegte. Die Hüften waren gleichfalls ungegürtet, und

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