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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Ihre graue Wärmflasche steigen und zurückrasen nach West End und es holen, ich meine, wir zeigen das Haus nicht so einfach jedem , verstehen Sie. Schließlich, wenn Sie nicht Gott sind, wer zum Teufel sind Sie dann?«
    Wiederum registrierte Cassidys seismographische Empfindlichkeit Helens Schweigen, und er verstand es. Der gleiche besorgte Blick trübte ihre aufrichtigen Augen, die gleiche angeborene Höflichkeit verbot ihr, diese Besorgnis in Worte zu fassen. »Wir können es ihm schwerlich im Dunkeln zeigen, Darling«, sagte sie gelassen.
    »Und ob wir’s ihm in dem verdammten Dunkeln zeigen können. Wir haben doch die Laterne, oder? Herrje, er könnte den ganzen Zimt per Braille kaufen, wenn er Lust dazu hätte, stimmt’s, Lover? Ich meine, sieh mal, Cassidy ist offensichtlich ein sehr einflußreicher Mann , und sehr einflußreiche Männer , die in Sevenoaks herumspazieren und Schecks über fünftausend Pfund verteilen können, vertun verdammt ungern ihre Zeit, Helen, das mußt du endlich kapieren.«
    Cassidy wußte, daß er jetzt etwas sagen mußte. »O nein, bitte machen Sie sich keine Umstände. Ich kann ebensogut ein anderes Mal kommen. Sie haben mir bereits so viel Freundlichkeit erwiesen –.« In dem Bestreben, seine Absicht in die Tat umzusetzen, stand er schwankend auf. Holzrauch und Whisky hatten ihm stärker zugesetzt, als er dachte. Sein Kopf schwindelte, und seine Augen schmerzten.
    »Ich kann ohne weiteres ein anderes Mal kommen«, wiederholte er töricht. »Sie müssen todmüde sein, mit all dem Packen und Anordnen.« Shamus stand ebenfalls, er stützte die Hände auf Helens Schultern, und seine dunklen, nach innen blickenden Augen beobachteten Cassidy scharf.
    »Können wir nicht gleich einen Tag in der nächsten Woche ausmachen?« schlug Cassidy vor.
    »Sie wollen sagen, das Haus gefällt Ihnen nicht«, sagte Shamus in dumpfem, drohenden Ton, es war mehr Feststellung als Frage. Cassidy protestierte schleunigst, doch Shamus überfuhr ihn. »Ist wohl nicht genug für Sie, was? Keine Zentralheizung, keine Zimmer mit Bidet, keine Luxusnutten-Armaturen, wie Sie’s in Londontown haben?«
    »Keine Rede, es ist nur –«
    »Was, um Gottes willen, wollen Sie eigentlich? Ein Bordell?«
    Cassidy hatte schon ähnliche Situationen gemeistert. Aufgebrachte Gewerkschafter hatten auf seinen Rosenholz-Schreibtisch geschlagen, ausgeschaltete Konkurrenten hatten ihm mit der Faust gedroht, betrunkene Dienstmädchen hatten ihn als feist bezeichnet. Doch in diesen Fällen war er stets Herr der Lage gewesen, die Dinge ereigneten sich zumeist auf einem Gelände, das er bereits gekauft hatte, von Leuten, die noch auf ihre Bezahlung warteten. Der vorliegende Fall war gänzlich anders gelagert, und weder der Whisky noch seine vernebelte Optik waren dazu angetan, ihm das Spiel zu erleichtern.
    »Selbstverständlich gefällt mir das Haus, ich dachte, das hätte ich bereits hinlänglich klargemacht, ehrlich gesagt, es ist das beste Objekt, das ich seit langem gesehen habe. Alles dran, was ich suche … Friede … Abgeschiedenheit … Parkraum.«
    »Weiter«, drängte Shamus.
    »Altertümlichkeit … was möchten Sie sonst noch von mir hören?«
    »Auf geht’s!«
    Ein sonniges, ansteckendes Lächeln hatte das flüchtige Ärgerwölkchen ersetzt. Shamus faßte mit der einen Hand die Whiskyflasche, mit der anderen die Laterne und lotste sie strahlend die große Treppe hinauf. So fand Cassidy sich zum zweitenmal an diesem Abend, nicht ganz ungern, auf eine unfreiwillige Reise geschickt, die vor seinem schwindelnden Bewußtsein mit jedem neuen Schritt zwischen Vergangenheit und Zukunft, Illusion und Wirklichkeit, Rauch und Nüchternheit zu wechseln schien.
    »Komm, Flaherty«, rief Shamus. »Gottes Haus hat viele Wohnungen, und ich und Helen werden Ihnen den ganzen verdammten Laden zeigen, nicht wahr, Helen?«
    »Würden Sie mir bitte folgen?« fragte Helen mit dem bezaubernden Lächeln einer Stewardeß.
    Sir Shamus und Lady Helen de Waldebere. Es war bezeichnend für Cassidys Verstörtheit, daß er sich kein einziges Mal mit der Überlegung aufhielt, wessen Erbe eigentlich zum Verkauf stand. Nachdem er Shamus die Rolle des gestrandeten Kavallerieoffiziers zugewiesen hatte, der die Demütigungen eines pferdelosen Daseins mit Alkohol abwusch, verlieh er Helen die Seelenstärke und würdige Resignation, die Rechtens den letzten Sproß einer großen Familie kennzeichnen: Und er fragte sich nie, wie es im Rahmen einer üblichen

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