Wachsam
den Opfertod. Also ich finde das höchst unmanierlich, Sie nicht? Ich meine, wenn es soweit ist, sollten wir klaglos in die gute Nacht eingehen, finden Sie nicht auch, Cassidy?«
Obwohl die Frage scherzhaft gemeint war, stellte Shamus sie mit großem Ernst und wartete bewegungslos auf die Antwort.
»O doch«, sagte Cassidy.
»Er ist meiner Meinung«, sagte Shamus mit sichtlicher Genugtuung. »Helen, er ist meiner Meinung.«
»Natürlich«, sagte Helen. »Er ist ein höflicher Mann.« Sie beugte sich zu ihm. »Seit Wochen hat er mit keiner Menschenseele gesprochen«, vertraute sie ihm leise an. »Er ist wohl schon völlig verzweifelt.«
»Machen Sie sich keine Gedanken«, sagte Cassidy. »Mir gefällt es.«
»He, Cassidy, erzählen Sie ihr von Ihrem Bentley.« Shamus’ Dialekt war nun in jedem Wort hörbar, der Alkohol hatte ihn zur vollen Blüte entwickelt. »Hast du gehört, Helen? Cassidy hat einen Bentley, einen unheimlich großen langen mit silbernem Dach, nicht wahr, Lover?«
»Wirklich?« sagte Helen über den Rand ihres Glases hinweg. »Toll.«
»Er ist natürlich nicht neu.«
»Aber das ist doch ein Vorzug? Ich meine, sind die alten nicht in vieler Hinsicht besser? «
»Absolut, zumindest meiner Erfahrung nach«, sagte Cassidy. »Die Modelle vor dreiundsechzig waren ungleich besser gearbeitet. Also meiner hat sich bewährt.«
Bevor er sich dessen selbst bewußt wurde, erzählte er ihr schon auf einen winzigen Fingerzeig Shamus’ hin die ganze Geschichte, wie er eines Tages in seinem Mercedes durch Sevenoaks gefahren war – er hatte damals einen Merc gehabt, gewiß sehr funktionelle Wagen, aber ohne rechte Handschrift, wenn sie wußte, was er meinte – und im Ausstellungsraum bei Caffyns einen Bentley erblickt hatte.
»In Sevenoaks, hast du das gehört?« rief Shamus. »Irre, einen Bentley in Sevenoaks kaufen. Menschenskinder.«
»Aber das ist ja gerade der Witz an der Sache«, beharrte Cassidy. »Manche der schönsten Modelle kommen sogar aus Indien. Maharadschas haben sie für Safaris gekauft.«
»He, Lover.«
»Ja?«
»Sie sind nicht zufällig selber ein Maharadscha?«
»Leider nicht.«
»Nämlich, bei dieser Beleuchtung kann man die Hautfarbe der Leute nicht immer unterscheiden. Dann sind Sie Katholik?«
»Nein«, sagte Cassidy vergnügt. »Nochmals falsch geraten.«
»Aber Sie sind fromm?« Hartnäckig kam er auf ein früheres Thema zurück.
»Na ja«, sagte Cassidy zweifelnd. »Weihnachten und Ostern, Sie wissen, wie’s so geht.«
»Würden Sie sich als Anhänger des Neuen Testaments bezeichnen?«
»Bitte so weiter«, sagte Helen. »Ich bin ganz Ohr.«
»Oder würden Sie sagen, daß die barbarischen und ungezähmten Alten Juden Ihnen mehr zusagen?«
»Nun … keins von beiden oder beides, würde ich sagen.«
»Also sehen Sie, dieser Flaherty da in County Cork –.«
» Bitte «, sagte Helen und richtete einen zweiten strafenden Blick auf ihren Ehemann.
Cassidy hatte damals das bestimmte Gefühl gehabt, daß der Wagen das Richtige für ihn sei, er konnte es nicht genauer erklären, und so war er schließlich stehengeblieben, zurückgegangen und hatte einen zweiten Blick darauf geworfen. Und außerdem, um es kurz zu sagen, hatte der junge Verkäufer ihn überhaupt nicht gedrängt, sondern sozusagen seinen Pappenheimer erkannt, und in fünf Minuten war der Handel perfekt gewesen. Cassidy schrieb einen Scheck über fünftausend Pfund aus, auf den gleichen Tag datiert, und fuhr in dem Wagen davon.
»Himmel«, sagte Helen, »wie schrecklich tapfer.«
»Tapfer?« wiederholte Shamus. »Tapfer? Er ist ein Löwe. Du hättest ihn draußen auf der Terrasse sehen sollen. Er hat mir eine Höllenangst eingejagt, wenn ich dir sage.«
»Nun, natürlich hätte ich den Scheck übers Wochenende annullieren können«, räumte Cassidy ein wenig unbesonnen ein, und er hätte noch eine ganze Weile so weitergeredet – zum Beispiel über den Kraftfahrzeugbrief, der eine einzige technische Lobeshymne war, die Genealogie des Wagens, auf die er erst nach Wochen nach dem Kauf zufällig gestoßen war –, hätte Shamus, der sich plötzlich langweilte, nicht vorgeschlagen, daß Helen ihm das Haus zeigen solle.
»Nachdem er ein so hemmungsloser Käufer ist, kauft er uns vielleicht gleich mit, äh, ich meine, Herrgott, eine solche Gelegenheit dürfen wir uns nicht entgehen lassen. Haben Sie Ihr Scheckheft dabei, Cassidy? Wenn Sie’s nämlich nicht dabei haben, dann sollten Sie schleunigst in
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