Wachsam
Damit ist’s vorbei, glauben Sie mir. Außer natürlich, Sie machen in Nerz, Nerze sind die Masche.«
»Ja«, stimmte Cassidy zu; er war einigermaßen verwirrt über diese eigenwillige Darstellung der landwirtschaftlichen Problematik. »Ja, ich habe auch gehört, daß Nerze eine Menge Geld einbringen können.«
»Hören Sie mal. Sind Sie religiös?«
»Nun, so la la.«
»In County Cork wohnt nämlich ein Mensch, der sich der einzig wahre lebendige Gott nennt, Sie haben vielleicht über ihn gelesen? J. Flaherty of Hillside, Beohmin. War in allen Zeitungen. Glauben Sie, daß da was dran ist?«
»Ich weiß es wirklich nicht«, sagte Cassidy. Der Laune seines Begleiters gehorchend, ließ er sich zum Stillstand bringen. Das dunkle Gesicht schob sich dicht an das seine, und er empfand plötzliche Spannung.
»Weil ich ihm nämlich geschrieben habe, zum Duell gefordert. Dachte schon, Sie wären’s.«
»Oh«, sagte Cassidy. »O nein, ich bin’s leider nicht.«
»Trotzdem, Sie haben was von ihm, Sie haben entschieden etwas Göttliches an sich, das sehe ich auf jede Entfernung.«
»Oh.«
»O ja.«
Sie waren um eine zweite Ecke und in einen weiteren Korridor gebogen, der noch länger und öder war als der erste. Am anderen Ende spielte roter Flammenschein über eine Steinwand, und Rauchspiralen kringelten sich durch den offenen Zugang ihnen entgegen. Cassidy wurde von plötzlicher Müdigkeit erfaßt, von dem unheimlichen Gefühl, gegen eine Flut anzugehen. Die Dunkelheit zerrte an seinen Füßen wie eine warme Strömung. Der Rauch, dachte er, der Rauch hat mich schwindlig gemacht.
»Der verdammte Kamin ist verstopft. Wollten ihn schon reparieren lassen, aber diese Kerle kommen ja nicht, wie?«
»Ist in London der gleiche Jammer«, pflichtete Cassidy bei und erwärmte sich an seinem Lieblingsthema. »Man kann sie anrufen, anschreiben, bestellen, hilft alles nichts. Sie kommen, wann sie wollen, und berechnen, was sie wollen.«
»Dreckspack. Mein Großvater hätte sie allesamt ausgepeitscht.«
»So was kann man heute nicht mehr machen, fürchte ich«, sagte Cassidy laut, im Ton eines Mannes, der sich gleichfalls nach einer einfacheren Gesellschaftsordnung sehnt. »Die würden Ihnen schön aufs Dach steigen.«
»Ich will Ihnen mal was sagen, es ist Zeit für einen neuen verdammten Krieg. Hören Sie, angeblich soll er dreiundvierzig sein.«
»Wer?«
»Gott. Der Kerl in Cork. Verdammt komisches Alter hat er sich da ausgesucht, finden Sie nicht? Ich meine, soll er jung sein oder alt, das hab’ ich ihm auch gesagt, hören Sie, wer zum Teufel soll ihm den Gott glauben, mit dreiundvierzig? Trotzdem, als ich den Wagen sah, und dann Sie … Sie können’s mir nicht verübeln, oder? Ich meine, falls Gott einen Wagen fahren würde, dann würde Ihr Bentley da …«
»Wie steht’s mit Dienstboten hier draußen?« unterbrach Cassidy seine Ausführungen.
»Verdammt mistig. Wollen bloß noch faulenzen, fernsehn und ficken.«
»Werden sich wohl einsam fühlen. Genau wie Sie.«
Cassidy hatte sich jetzt völlig von seiner anfänglichen Nervosität erholt. Die urwüchsigen Verlautbarungen seines Gefährten, die über ihm widerhallten, waren bei aller Absonderlichkeit angenehm beruhigend; der Feuerschein war entschieden nähergerückt, und sein Anblick nach ihrem Gang durch die immer dunkler werdenden Gemächer der weitläufigen Behausung heiterte ihn zusehends auf. Er hatte indessen sein Gleichgewicht kaum wiedererlangt, als es aufs neue von einem weiteren und gänzlich unerwarteten Ereignis heftig erschüttert wurde. Unvermittelt näherte sich aus einer Seitentür ein Hauch von dünner Musik, und ein Mädchen kreuzte ihren Weg.
Cassidy sah sie zweimal.
Einmal als Silhouette gegen den rauchigen Feuerschein am Ende des Korridors, und einmal im direkten Strahl der Laterne, als sie stehenblieb, den Kopf wandte und die beiden anblickte, zuerst Cassidy und dann, kühl und fragend, den Fackelträger. Ihr Blick war starr und in keiner Weise einladend. Sie trug ein Handtuch überm Arm und ein kleines Transistorradio in der Hand. Das üppige rötlich-braune Haar war auf dem Kopf getürmt, als sollte es vor Nässe geschützt werden, und Cassidy stellte während eines kurzen Blickwechsels fest, daß sie das gleiche Programm hörte, das er im Wagen eingestellt hatte, eine Auswahl von Frank-Sinatra-Songs über das Thema der männlichen Einsamkeit. Diese Eindrücke folgten nicht unmittelbar aufeinander, sie wurden zerhackt
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