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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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anbot; einen Vogel auf dem Dach eines Hotels, einen vorbeikommenden Fußgänger, einen Hund.
    »Mein lieber Mister Cassidy, wie geht es Ihnen?«
     
    Vorstellung; Sherry am Sonntag, kommen Sie doch nach der Kirche vorbei. Shamus verbeugt sich und wedelt mit dem Schießeisen; Entzückensschreie. Eine Mrs. Horegrove oder Haregrave, Altsenatorin des Clubs. »Was für eine gefährlich aussehende Ladung?«
    »Gehört Hugo«, erklärte Cassidy und keuchte durch sein Lächeln. »War bei der Reparatur. Sie wissen, wie versessen er auf Pistolen ist.«
    »Mein Lieber, was in aller Welt würde Sandra sagen?«
    Über Shamus oder über die Pistole? wollte Cassidy fragen, denn ihre Augen wanderten mit wachsendem Erstaunen zwischen beiden hin und her.
    »Weg da«, brüllte Shamus sie an; er hatte plötzlich die Geduld verloren, hob einen passenden Stock auf und schleuderte ihn ihr direkt vor die Füße. »Proletenweib. Weg da, oder ich schieße.«
    Die Dame zog sich zurück. Ein Haufen Pferdeäppel lag ihrer Weiterfahrt im Wege. Cassidy wich links aus, auf die Böschung.
    »Zieh, du Hund«, befahl Shamus noch immer zornig, »hüh, hüh, zieh .«
     
    Im Wald ging es leichter. Unter den Bäumen war der festgetretene Schnee weder geschmolzen noch gefroren; manchmal ging es kurze Zeit sogar bergab, so daß Cassidy vorauslaufen mußte, um in der Schußlinie zu bleiben. In solchen Augenblicken wurde Shamus nervös und erließ widersprechende Befehle: Hände hoch, runter damit, links halten, rechts halten, und Cassidy führte sie alle aus, er dachte an nichts, nicht einmal an das Loch in seinem Rücken. Die Bäume teilten sich und gaben den Blick in das braune Tal und auf die Nebelbänke frei, die wie Ölrauch aus der engen Sohle aufstiegen. In einem Stück vollendeten Blaus sahen sie das Angelhorn, sein frischer Schnee glitzerte in der hohen Sonne.
    Und sie hielten an.
    »He, du«, sagte Shamus ruhig.
    »Ja?«
    »Gib uns einen Kuß.«
    Die Hände noch immer über dem Kopf ging Cassidy zum Schlitten zurück, bückte sich und küßte Shamus auf die Wange »Weiter«, sagte Shamus. Und schließlich: »Ist schon recht , Lover, ist schon recht «, flüsterte er und wischte die Tränen weg. »Shamus kriegt’s hin. Ehrenwort. Wir sind groß genug, Lover. Wir können es schaffen.«
    »Natürlich können wir’s«, sagte Cassidy.
    »Geschichte machen«, sagte Shamus. »Ein großer Erneuerer sein, Lover. Wir schlagen das ganze verdammte System in Trümmer.«
    »Wirst du jetzt absteigen?« fragte Cassidy nach weiteren atemlosen Umarmungen. »Ich bin nämlich ein bißchen müde.«
    Shamus schüttelte den Kopf. »Lover, ich muß dich fit trimmen, dieses Rennen ist sehr hart, wirklich sehr hart. Erfordert eine starke Hand. Glauben, erinnerst du dich? Für uns beide?«
    »Ich erinnere mich«, sagte Cassidy und hob den Gurt aus dem Schnee auf.
     
    Die Wolken hüllten sie ein. Sie mußten den Baumbereich verlassen haben, ohne daß er es bemerkte, und blindlings in die Nebelfalle getappt sein. Cassidy sah nichts mehr, verlor das Gleichgewicht und stürzte hin. Nicht einmal mehr der Pfad war da, denn seine Ränder verloren sich im feuchten talwärts stürmenden Nebel, und seine Hände, die sich in den Abhang krallten, umklammerten einen unsichtbaren Feind. Wieder kämpfte er sich voran.
    »Wo bist du?«
    »Hier.«
    »Zieh, Lover«, warnte Shamus, »zieh weiter, Lover, oder es macht peng-peng.«
    So unvermittelt, wie sie eingefallen war, verzog die Wolke sich, und das Haus stand sauber und einladend auf seinem teuren schneebedeckten Privathügelchen, fünfzehn Pfund pro Quadratmeter, und ›Mr. and Mrs. Aldo Cassidy‹ in einem Rähmchen neben dem Klingelknopf, und Helen, Ehefrau von Shamus, auf den Balkon gemalt. Gemalt auf die grundierte weiße Leinwand des treibenden Nebels, in matten Halbtönen, eine Idee verschoben.
    Groß, als sie von unten zu ihr hinaufblickten; sie trug eines von Sandras Kopftüchern; Hände weit voneinander auf das Geländer gestemmt, Gesicht scharf dem Pfad zugewandt, den sie nicht sah, doch sie hörte die Schritte im Matsch und vielleicht das Zickzackecho ihrer Stimmen.
    »Cassidy?«
    »Sie ist ein bißchen blaufleckig«, warnte Shamus in einem Flüstern, das neben ihm aufstieg. »Wo ich sie verdroschen habe. Tut mir leid, ich wollte die Einrichtung nicht beschädigen.«
    »Cassidy?« wiederholte sie noch immer blindlings, nur nach dem Geräusch abschätzend.
    Noch eine Weile starrte sie auf den Pfad und wußte nicht, daß

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