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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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hinaus.
     
    Shamus stand an dem hohen Fenster. Er hatte Cassidys Fernglas entdeckt und versuchte, es auf die Schlafzimmer eines entfernten Hotels einzustellen. Als ihm dies zu langweilig wurde, warf er das Glas zu Boden und schlenderte zu den Bücherregalen. Die Pistole steckte in seinem Hosenbund; die Puderquaste baumelte müßig von seinen Fingern.
    »Jemand ist hier Ibsen-Fan«, bemerkte er zerstreut.
    »Sandra.«
    »Die Dame gefällt mir. Schon lange. Jedenfalls besser als Helen.« Während Helen kochte, spielten die beiden Männer Marks Mäusespiel. Die Maus, ein Plastiktierchen, wurde durch einen Schlitz hineingesteckt. Nachdem sie herumgelaufen, über einen Graben gesprungen, durch mehrere kleine Löcher geschlüpft war, rutschte sie in einen engen Käfig und bewegte ein Glöckchen. Das Glöckchen läutete, die Tür schloß sich, die Maus saß in der Falle. Es war kein Wettspiel, denn man konnte dabei nicht verlieren und folglich auch nicht gewinnen, aber es war unter den gegebenen Umständen ein gutes Spiel, weil es Shamus ermöglichte, eine Hand an der Pistole zu lassen. Sie hatten jedoch noch nicht viele Runden gespielt, als Shamus unruhig wurde, den Schürhaken vom Kamin holte und den Deckel des Käfigs damit zerschlug. Danach entkam die Maus, und Shamus wurde wieder umgänglicher und lächelte sogar, klopfte Cassidy ermutigend auf die Schulter.
    »Liebe dich, Lover.«
    »Liebe dich«, sagte Cassidy.
    »Shamus war in ganz Europa«, sagte Helen aufmunternd und tauchte mit einer Schüssel aus der Küche auf. »Nicht wahr, Shamus? In Marseille war er, in Mailand, Rom …« Sie zählte diese Städte auf, als feuerten die Namen ihn an, fast als sänge sie das Loblied ihres trotzigen Kindes, doch Shamus blieb verstockt. »Und sein Buch macht sich fabelhaft, er hat gearbeitet bis zu dem Augenblick , als Sie ankamen , nicht wahr, Shamus? Schreiben, schreiben, schreiben, von morgens bis nachts.«
    »Hol die Scheißente«, sagte Shamus, »und halt den Schnabel.«
    »Cassidy, Wein «, erinnerte Helen ihn mit diskretem Lächeln. »Wir sollten wohl roten trinken, nehme ich an, zu Geflügel.«
    »Ich hole ihn«, sagte Cassidy und strebte zur Tür.
    »Fang«, sagte Shamus und warf ihm einen großen Schlüsselbund zu. Ein harter Wurf, die Schlüssel knallten an das Holz neben seinem Kopf und knallten danach, ein zweites Mal, auf den Holzboden. Viele waren Duplikate, stellte Cassidy fest, als er sie aufhob. Er mußte sie zusammengetragen haben, als er Helen auf dem Dachboden eingeschlossen hatte. Der Herd machte Schwierigkeiten. Er schien nicht zu heizen wie englische Herde, sagte Helen, es wurde innen nicht heiß, wenn man am Knopf drehte.
    »Infrarot«, sagte Cassidy und zeigte ihr, wie es funktionierte.
    »O je«, sagte Helen. »Ich stell’ sie nochmals rein.«
    Cassidy protestierte; Unsinn, Ente mußte blutig sein, so mochte er sie am liebsten.
    Auch Shamus protestierte, aber aus anderen Gründen. Nein, das würde sie verdammt noch mal nicht tun. Wenn er Geschichte machen sollte, sagte er, konnte er sich nicht von einer ungebratenen Ente aufhalten lassen.
     
    Wieder einmal oblag es daher Cassidy, dem Meister des rechten Tons zur rechten Zeit, das Tischgespräch zu führen. Auf gut Glück wählte er ein Thema – es war Jahre her, seit er zuletzt eine englische Zeitung zu Gesicht bekommen hatte – und hörte sich über die steigende Flut der Gewalttätigkeit in England dozieren und insbesondere über den unlängst verübten Bombenanschlag auf einen konservativen Minister. Für Nihilisten habe er nichts übrig, sagte er. Wenn jemand einen Groll hege, dann solle er es sagen, Cassidy sei der erste, der ihn anhören werde. Und wozu gab es schließlich das Parlament, wenn wir uns von jedem Tom, Dick oder Harry erpressen lassen müßten, der andere Ansichten vertrete als wir selber.
    »Ich meine, was wollen sie damit bezwecken, um Gottes willen? Außer der Zerstörung der Gesellschaft. Diese eine Frage können sie nie beantworten. ›All right‹, sage ich dann zu ihnen, ›gut: Die Welt gehört euch. Jetzt sagt mir, was ihr mit ihr anzufangen gedenkt. Wie ihr die Kranken heilen und den Alten helfen und uns gegen diese Irren in China verteidigen wollt?‹ Nun, findet ihr nicht auch?« fragte er und überlegte, ob er den Rest seiner Ente liegenlassen solle.
    Helen und Shamus waren aneinandergerückt, und Helen küßte und tröstete ihn, streichelte sein Haar und legte ihm die Hand auf die Stirn.
    »Wir sind über die

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