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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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habe einmal so eine gehabt.«
    »Hier«, sagte Shamus und gab ihm den Revolver. »Souvenir. Kannst ihn vielleicht mal brauchen.«
    »Danke«, sagte Cassidy.
    Shamus blickte hinab zu seinen bloßen Füßen, die im Schnee verschwanden. Er trug eine weiße Krone; ein weißer Rand lag auf seinen schwarzen Brauen.
    »Himmel«, flüsterte er, »wir sind weit weg von zu Hause.«
    »Ja, das sind wir.«
    »Entschuldige, Lover«, sagte Shamus nochmals. »Fast hättest du’s geschafft. Komm, du Miststück«, sagte er zu Helen und schüttelte sie lieblos. »Ich habe kalte Füße.«
    »Du kannst nichts dafür«, sagte Cassidy zu Helen. »Bitte, laß dir’s nicht zu nah gehen. Alles meine Schuld, nicht deine.«
    »Ruhig, Lover. Ruhig. Zeit jetzt, ins Bett zu gehen.«
    Shamus trat zu ihm und küßte ihn ein letztes Mal. Als der Kuß vorbei war, wandte Shamus sich ab. Helen hielt Cassidy noch immer fest. Dann rannte Shamus mit Macht los und zerrte sie nach, wohin immer sie gehen sollte, und sie waren tatsächlich bereits auf dem Weg den Hügel hinauf, ehe sie sprach.
    »Eine Weile«, sagte sie, und setzte nochmals an, weil sie weinte, »eine Weile war es dir nicht egal gewesen.«
    »Natürlich nicht. Niemals.«
    »Nicht was mit mir passiert, du Narr. Mit dir. Du hast Wert auf dich gelegt.«
    »Helen, bitte, weine nicht.«
    »Halt den Mund und hör zu! Du hast Wert auf dich gelegt«, wiederholte sie. »Das hattest du früher nie getan.« Shamus zog sie weiter; sie stürzte und rappelte sich halb wieder hoch. »Um Gottes willen, tu’s nochmals «, schrie sie. »Suche dir jemand anders. Geh nicht zurück in dieses gräßliche Dunkel.«
    »Immer weiter versuchen, Lover«, stimmte Shamus mit einem letzten gleichgültigen Winken bei. »Niemals bereuen, nie sich entschuldigen.«
    Der Schnee hatte sie beinahe zugedeckt. Manchmal sah er sie, manchmal war alles leer; man konnte es nicht mehr unterscheiden. Einmal machte er bei einem kurzen Aufhellen in einer Art Lichtung zwei aufrechte Gestalten aus, die eine gerade und die andere krumm, und sie waren entweder Zaunpfähle oder zwei Menschen, die sich aneinanderklammerten, während sie sich durch den sehr tiefen Schnee kämpften. Doch als sie endgültig in das Nichts verschwanden, das jenseits des Schneesturms lag, glaubte er, etwas gehört zu haben – genau wußte er es nie –, glaubte, glaubte Helen sagen zu hören »Auf Wiedersehen, Cassidy«, wie ein vorbeiziehendes Flüstern, als sagte sie auf Wiedersehen zum alten Jahr, einem Jahrzehnt oder einem Leben, und erst dann füllten seine Augen sich endlich mit Tränen, und er senkte den Kopf. Gleichzeitig schienen sie unterzutauchen, beide zusammen, wie zwei Fußgänger im Regen, vor der Kühlerhaube seines Luxuswagens.

Epilog
    Das Ausscheiden Mr. Aldo Cassidys, des Gründers, Vorstandsvorsitzenden, Generaldirektors und Hauptaktionärs von Cassidy’s Universal Fastenings aus dem aktiven Geschäftsleben wurde in den Wirtschaftsblättern mit Interesse zur Kenntnis genommen, auch mit einer gewissen Bewunderung. Ein schönes Beispiel, hieß es, eines erfolgreichen jungen Geschäftsmannes, der eine Menge in die Wirtschaft gesteckt und eine Menge herausgeholt habe und sich nun zurückziehe, um die Früchte zu genießen. Würde der Zauber des big business ihn wieder zurücklocken? Würde das einstige Wunderkind der ländlichen Reize überdrüssig werden? Nur die Geschichte könnte das’ entscheiden, sagten sie.
    Diejenigen, die ihn am besten kannten, sprachen innig von seiner Liebe zum Lande.
    »Ein Perfektionist«, bezeugte ein bekannter Immobilienmakler aus West End. »Wir haben ihm stets nur das Beste geboten, was in England zum Verkauf steht.«
    Es war bekannt, daß er schon lange ein Auge auf das Herrenhaus Haverdown in Somerset geworfen hatte, nicht zuletzt aus Gründen der Familientradition; ein Vorfahr Mr. Cassidys hatte dort mit einer Schwadron von Cromwells Reiterei geweilt: »Wir Cassidys sind immer Kämpfer gewesen«, erinnerte der Vorsitzende unter Lachen und Applaus, als er den Aktionären seine Entscheidung erläuterte; und mit Tränen in den Augen den hübschen Silberkasten entgegennahm, der von privaten Spenden gekauft worden war.
     
    Die Fusion mit Bee-Line Accessories lag schon seit langem in der Luft: Wirtschaftsredakteure vertrauten darauf, daß die unvermeidliche Anpassung an die jüngste Entwicklung auf lange Sicht gesehen im Interesse der Aktionäre liege. Für den neuen Vorsitzenden Meale nichts als Lob: Ein

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