Wachsam
behaglich um ihre linke Brust, und er war ganz und gar nicht sicher auf den Beinen.
»He, Cassidy«, sagte er. »Sehen Sie mal, was ich Ihnen mitgebracht habe.«
Doch ach, das Angebot wird, kaum gemacht, bereits hinfällig. Zwei Männer erscheinen von irgendwoher und lösen das nette Mädchen gelassen aus seinem Griff, jemand erklärt mit großer Bestimmtheit, daß sie ein wenig frische Luft schöpfen sollten, und plötzlich spielen sie alle zusammen auf einem Rasenrund Bockspringen über Pfosten unter dem staunenden Blick eines konsternierten jungen Polizisten.
»Egal«, sagte Helen, als sie unterwegs waren zur nächsten Kneipe, »sie war ohnehin meilenweit zu jung für Cassidy.«
»Ja«, sagte Cassidy ergeben, da er niemandem mit seinen privaten Gelüsten zu nahetreten wollte. »Viel zu jung.«
Die Abfolge der Ereignisse trübte sich von nun an in Cassidys Erinnerung. Sie blieb für den Rest des Abends getrübt. Die Fahrt nach Bristol zum Beispiel hinterließ keine klare Spur in seinem Gedächtnis. Er nahm als sicher an, daß sie per Anhalter gereist waren – ein Lastwagenfahrer namens Aston spielte eine unklare Rolle, und am nächsten Morgen roch Cassidys Anzug intensiv nach Dieselöl. Sie waren hingefahren, so viel wußte er noch, weil Shamus unbedingt ans Wasser mußte und aus zuverlässigen Quellen erfahren hatte, daß Bristol ein Hafen sei.
»Er kann nicht ohne Meer leben«, erklärte Helen.
»Es ist das Rauschen«, sagte Cassidy.
» Und das Unendliche«, erinnerte Helen ihn. »Denken Sie nur an die Wellen.«
Shamus beleidigte Aston und nannte ihn einen Hundsfott, vermutlich, weil Aston Methodist war und Alkohol ablehnte. Aus welchem Grund auch immer, die Fahrt endete mit einem Mißklang, und Cassidy distanzierte sich davon. Das Bierlokal hingegen hinterließ einen lebhaften Eindruck. Er entsann sich genau jeder einzelnen weißen Umrißlinie des Dekolletés der Barfrau – sie trug ein bayerisches Dirndl, das die milchigen Kugeln fast bis an den Hals hochschob – und er erinnerte sich an das Erstaunen des Akkordeonspielers, als Shamus, zum großen Ergötzen der Menge, sämtliche Strophen des Horst-Wessel-Liedes in getragenem, schmachtendem Rhythmus vortrug.
Doch erst von Bath aus, nicht von Bristol, startete Cassidy nach einem letzten Blick auf seine teure goldene Uhr schließlich zu jenem kurzen Sprung in eine Welt, die er in jeder anderen Hinsicht ein paar Stunden lang rigoros aus seinen Gedanken verbannt hatte.
7
Eine neue Kneipe, nicht an einem Abhang, sondern Teil eines vatikanischen Nebengebäudes; das Lokal, weil die Bar voll war von Gerrards Crossers.
Helen und Shamus spielten Dart, Stadtfräcke gegen Mistkratzer, die Mistkratzer waren o. k., weil sie noch immer eins waren mit der Natur.
Shamus hatte auf eine Seite der Tafel ein Schwein gemalt und auf die andere einen Bowlerhut.
»Lovers, ich will mich nicht von euch wählen lassen«, versicherte er ihnen, »ich will euch das Lesen beibringen.«
Helen war an der Reihe. Sie verfehlte das Brett und schickte den Wurf in die Wandtäfelung. Brausendes Gelächter erschütterte das Lokal.
»Entschuldigen Sie«, sagte Cassidy leise zum Wirt, »kann ich Ihr Telefon benutzen?«
»Sind das da Ihre Freunde?«
»Nun ja, gewissermaßen.«
»Ich will keine Scherereien. Spaß muß sein, aber ich will keine Scherereien.«
»Geht in Ordnung«, sagte Cassidy. »Ich bezahle, was zu Bruch geht.«
»Hören Sie. Er ist ein reizender Bursche. Solche wie er kommen nicht oft. Und sie ist ein reizendes Mädel. Ein so nettes Paar hab’ ich schon lange nicht mehr gesehen.«
»Er ist ein sehr berühmter Fernseh-Autor«, erklärte Cassidy und wies intuitiv Shamus’ Talent in die Kategorie der Massenmedien. »Hat zur Zeit drei Fortsetzungssendungen laufen. Einen Bombenerfolg hat der Junge.«
»Tatsächlich?«
»Sie sollten nur seinen Bentley sehen, viertüriges Modell, taubengrau mit elektrischen Fenstern.«
»Gottverdammich«, sagte der Wirt. »Von denen fahren nicht viele rum, wie?«
»Er ist einmalig. Hätten Sie vielleicht gern selber einen? Alles, was Sie wollen. Wie wär’s mit einer goldenen Uhr?« schlug er vor und mischte sich unter die Männer.
»Einer was? «
»Einem Scotch«, sagte Cassidy leiser.
»In Ordnung, mein Sohn. Ich trinke für einen Shilling auf Ihre Rechnung, vielen Dank, Wohlsein.«
»Wohlsein«, sagte Cassidy. »Hier geht’s wohl durch, ja?«
Von Bath aus kann er direkt wählen.
»Hei«, fragt er. »Wie war’s
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