Wachsam
macht ihn fertig. Er war ein Mensch, der sich sehr verausgabte, immer schwitzte und in Skandale verwickelt wurde.
»Ich möchte nur gern selber nachsehen, was los ist, weiter gar nichts. Wenn ein geschätzter Kunde sich beklagt«, sagte Cassidy nicht ohne eine gewisse Strenge, »will ich der Sache selber auf den Grund gehen.«
»Na hören Sie, von beklagen ist keine Rede, Mister Cassidy. Der Sitz-Liegewagen ist ein eleganter Artikel, und Ihr Chassis haut hin, kein Zweifel. Hervorragende Ausführung. Ich verkaufe eine Menge davon, ich schwöre auf sie, kein Zweifel, Meister.«
»Eine Beschwerde ist eine Beschwerde, Andy, sobald sie einmal läuft.«
»Was sie nicht mögen, ist nur die Klappvorrichtung, Mister Cassidy«, protestierte Dobbs, aber ohne rechte Überzeugung. »Sie zerreißen sich die Strümpfe an den Scharnieren.«
»Schauen wir uns doch die Sache an, ja, Andy?«
Sie stiegen die Holztreppe zum Lager hinauf und inspizierten Scharniere.
»Ja«, sagte Cassidy und kniete nieder, um ein besonders wohlgearbeitetes Exemplar zu streicheln. »Ich sehe schon, was Sie meinen.«
»Geben Sie acht auf Ihre Hose«, rief Dobbs. »Der Boden hier ist dreckig.«
Doch Cassidy tat, als hörte er nicht. Er streckte sich in voller Länge auf den ungefegten Bodenbrettern aus und ließ eine hingebungsvolle Hand das Unterteil des Kinderwagens entlangstreichen, berührte mit den Fingerspitzen die Nippel, Drähte und Gestänge seines ersten und ergiebigsten Patents.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, Andy«, sagte er, als sie ins Büro zurückgingen. »Ich werde sofort veranlassen, daß der Sache nachgegangen wird.«
»Es ist nur, weil sie ihre Nylonstrümpfe daran zerreißen«, wiederholte Dobbs hilflos, als er Cassidys Anzug abbürstete. »Jedenfalls war es bei der letzten Lieferung so.«
»Wissen Sie, was einmal ein Nylonstrumpf zum anderen sagte, Andy?« fragte Cassidy nebenbei, als er die Kiste Sherry auslud, die er im Kofferraum bereitstehen hatte. Sherry, hieß es, trinkt er am liebsten.
»Na was denn?«
»Ich spüre ein freundschaftliches Fühlen zwischen uns«, sagte Cassidy. Ihr Lachen übertönte die hastige Transaktion. »Ein Ostergeschenk«, erklärte Cassidy. »Wir schütten einen Teil unserer letztjährigen Gewinne aus.«
»Sehr anständig, das muß ich sagen«, sagte Dobbs.
»Aber ich bitte Sie! Vielen Dank, daß Sie uns auf das Scharnier aufmerksam machten.«
»Manchmal mache ich mir Gedanken«, gestand Dobbs, als er Cassidy zum Bentley zurückbegleitete. »Ich bilde mir ein, man hat mich vergessen.«
»Verstehe«, sagte Cassidy. »Und wie geht’s der Frau Gemahlin?«
»Na, Sie wissen ja«, sagte Dobbs.
»Ich weiß«, sagte Cassidy.
Er änderte sein Programm und ging ins Kino. Am liebsten sah er Filme, die Britanniens Kriegstaten rühmten oder mit schonungsloser Offenheit das intime Sexualleben skandinavischer Teenager darstellten. In diesem Fall hatte er Glück, es wurde beides geboten.
Sandra war ausgegangen. Auf dem Küchentisch hatte sie eine quiche lorraine und einen Zettel zurückgelassen, des Inhalts, daß sie in ihrer Trinkerheilanstalt sei. Die Diele roch nach Leinöl. Staubhüllen und Malerleitern erinnerten ihn unangenehm an Haverdown. Kam etwas weg oder hinzu? Er versuchte sich zu erinnern. Die Stuckleisten waren, wie er wußte, kitschig und mußten herunter. Vielleicht der Kamin? Vor ein paar Monaten hatten sie bei Malett einen gekauft, in Kiefer, achtzehntes Jahrhundert, dreihundert Pfund und rundum herrlich geschnitzt. Der Kamin gab der ganzen Einrichtung erst ein Gesicht , hatte ihr Architekt ihnen versichert, und ihr Haus hatte, weiß Gott, ein Gesicht dringend nötig.
Ihre Mutter war in ihrem Zimmer. Von oben, mehrere Stockwerke darüber, hörte er die honigsüßen Laute von John Gielguds, der auf ihrem Plattenspieler Abaelard und Heloise für die Blinden las. Die Stimme versetzte ihn augenblicklich in bebende Wut. Idiot , blökender Idiot , sie sieht ganz vorzüglich, wenn sie will.
Sehr behutsam ging er zum Kinderzimmer und schlich beim Lichtschimmer, der durch das unverhängte Zimmer fiel, auf Zehenspitzen, zwischen Schallplatten lavierend, an Hugos Bett. Warum hatte er kein Nachtlicht? Cassidy war überzeugt, daß er sich im Dunkeln fürchtete. Der Junge schlief wie tot auf den Decken, das Gipsbein leuchtete blaß in der orangefarbenen Beleuchtung, und seine Pyjamajacke war bis zur Mitte offen. Auf dem Boden neben ihm lag der Schneeschläger, mit dem er sein Schaumbad
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