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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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einrannte.
    »Das Schlafzimmer meiner Herrin!« Wieder rannte er dagegen. »Merry bloody England, erschlagt den Schuft!«
    »Helen …«, flüsterte Cassidy, »er wird in Stücke gehen.«
    Was jedoch in Stücke ging, war die Tür, und plötzlich flogen sie alle durch die Luft und sausten auf blanke Matratzen, die nach Lavendel und Mottenkugeln rochen.
    »Shamus, bist du in Ordnung?« fragte Helen.
    Keine Antwort.
    »Shamus ist tot«, erklärte sie ungerührt.
    Shamus lag unter ihnen, er ächzte.
    »Klingt wie ein gebrochenes Genick«, sagte sie.
    »Es ist ein gebrochenes Herz, du Närrin«, sagte Shamus.
    Sie war schon dabei, ihn auszuziehen, als Cassidy das Zimmer verließ, um sich auf dem Kanapee ein Bett zu richten. Eine Zeitlang lag er wach und lauschte auf das Rumpeln des Betts, als Helen und Shamus noch einmal ihre perfekte Verbindung vollzogen. Im nächsten Augenblick weckte Helen ihn mit sanftem Rütteln an der Schulter, und er hörte wiederum das Transistor-Radio aus der Tasche ihres hochgeschlossenen Hausmantels Krematoriumsmusik spielen.
     
    »Nein«, sagte Helen ruhig. »Sie können ihm nicht auf Wiedersehen sagen, morgens arbeitet er.«
    Sie hatte ihm auf einem Perlmutt-Tablett ein vollständiges Frühstück gebracht: ein weiches Ei und Toast und Kaffee, und sie trug die Laterne, weil es noch dunkel war. Sie war sehr adrett und hatte kein Make-up aufgelegt. Sie sah aus, als hätte sie zwölf Stunden Schlaf und einen Waldspaziergang hinter sich.
    »Wie geht es ihm?«
    »Er hat ein steifes Genick«, sagte sie fröhlich, »aber ein bißchen Schmerz hat er gern.«
    »Fürs Schreiben?« sagte Cassidy, denn jetzt war er vom Fach, und Helen nickte bejahend.
    »War es warm genug?«
    »Prächtig.«
    Er setzte sich auf, bedeckte den bloßen Bauch mit den Mänteln, die auf seinem Schoß lagen, und Helen setzte sich zu ihm und betrachtete ihn mit mütterlicher Milde.
    »Sie werden ihn nicht im Stich lassen, nicht wahr, Cassidy? Es ist Zeit, daß er wieder einen Freund hat.«
    »Was ist mit den anderen passiert?« sagte Cassidy mit einem Mund voller Toast, und sie lachten beide und blickten nicht auf seinen Magen. »Ich meine, warum gerade ich? Ich meine, ich kann ihm nicht viel nützen.«
    »Shamus ist sehr religiös«, erklärte Helen nach einer Pause. »Er glaubt, Sie könnten noch erlöst werden. Sind Sie erlösbar, Cassidy?«
    »Ich weiß nicht, was er meint.« Helen wartete, also fuhr er fort. »Erlösen wovon?«
    »Shamus sagt: Jeder Narr kann geben , es kommt darauf an, was wir uns vom Leben nehmen. Dadurch erreichen wir unser Format.«
    »Oh.«
    »Will heißen … unsere Identität … unsere Leidenschaft.«
    »Und unsere Kunst«, sagte Cassidy eingedenk seiner jüngsten Erfahrungen.
    »Er mag keine Leute, die den Kampf aufgeben, ob sie nun Flaherty heißen oder Christus oder Cassidy. Aber Sie haben den Kampf nicht aufgegeben, nicht wahr?«
    »Nein. Ich nicht. Manchmal habe ich das Gefühl … als sei ich erst am Anfang.«
    Sehr ruhig sagte Helen: »Diese Botschaft haben auch wir empfangen.« Sie trug das Tablett auf die andere Seite des Zimmers, und die Schiffslaterne beleuchtete von unten ihr Gesicht. Caravaggio , dachte Cassidy und dachte an Marks Postkarte aus Rom; mein Gott, wie er die Malerei liebte.
    »Ich habe ihm Ihren Ausspruch über das Geld erzählt.«
    »Oh …«, sagte Cassidy. Er wußte nicht, welchen Ausspruch, fragte sich jedoch einigermaßen nervös, ob er ihm wohl zur Ehre gereiche. »Ein Mensch wird nach dem beurteilt, wonach er sucht, nicht nach dem, was er findet.«
    »Was hält er davon?«
    »Er verwendet ihn«, sagte sie schlicht, als gäbe es keine höhere Auszeichnung. »Wissen Sie, daß Shamus seinen eigenen Epitaph geschrieben hat?« fuhr sie strahlend fort. » Shamus , der viel zu nehmen hatte . Ich finde, es ist der großartigste Epitaph, der jemals geschrieben wurde, finden Sie nicht?«
    »Wundervoll«, sagte Cassidy. »Ich bin ganz Ihrer Meinung. Wunderschön.« Und dann: »Ich möchte ihn für mich selber.«
    »Wissen Sie, Shamus liebt die Menschen. Wirklich. Er ist der Unterschied zwischen Planschen und Schwimmen. Er ist wie Gatsby. Er glaubt an das Licht am Ende des Landestegs.«
    »Ich glaube, daran glaube ich auch«, sagte Cassidy und versuchte sich zu erinnern, wer Gatsby war.
    »Deshalb gefiel ihm Ihr Ausspruch über das Geld so gut«, erklärte Helen.
     
    Sie begleitete ihn zum Wagen.
    »Er wird sogar an Flaherty glauben, wenn Flaherty ihm nur eine Chance dazu

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