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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Löschpapier.«
    »Warum so eilig?« fragte Cassidy, der jetzt ärgerlich wurde. »Was macht es schon aus? Das Eisen ist noch nicht einmal heiß. Beruhige dich.«
    »Hol das Löschpapier!«
    In plötzlichem Mißtrauen sagte Cassidy: »Ich kann sie doch mit dir allein lassen?«
    »Natürlich kannst du. Was schwafelst du eigentlich? Ist dir klar, daß dieser Lichtengel in einem durchschnittlichen Arbeitstag etwa zehn von uns lebend verschlingt? Für sie gelten weder die Tabus noch die Vorrechte des englischen Mittelstandes, sie erwartet das auch gar nicht. Soweit es sie angeht« – sie hörten das Geräusch der Wasserspülung; Elise kam aus dem Schlafzimmer –, »können wir beide sie dressieren, verschnüren und stopfen wie einen Truthahn und mit ihr Fußball spielen, wenn wir sie nur so rechtzeitig zurück auf die Straße werfen, daß sie wieder zwei wie uns aufgabeln kann.«
    Er drückte dem Mädchen den Paß in die Hand.
    »Aber Shamus, ich glaube nicht, daß sie so eine ist. Ich glaube, sie ist ganz einfach ein Mädchen.«
    Wie Heather Ast, wollte er sagen; Hugo würde sie sehr gern haben. Vorsichtig wendete Elise die Seiten um. Ihre Finger waren schlank und geschickt und fanden ihren Weg überallhin.
    » Mais vous ne vous appelez pas Maclean «, bemerkte sie und verglich Shamus mit der Fotografie.
    »Maclean ist sein Pseudonym«, sagte Cassidy, der noch in der Tür stand, schleunigst.
    Hol das Löschpapier!
    Das Schreibwarengeschäft war über der Straße, und Cassidy rannte den ganzen Weg. Als er atemlos zurückkam, standen Shamus und Elise in entgegengesetzten Ecken des Zimmers und schauten einander nicht an. Ihr Haar war in Unordnung, und sie schien sehr ärgerlich zu sein.
    »Na schön«, sagte Shamus und blickte von einem zum anderen, »spielt eure große Szene, Christopher Robin und Wendy turteln ein bißchen, und dann husch ins Bettchen. Aber wenn ich zurückkomme, ist sie draußen , und dieser Paß ist gebügelt.«
    »Shamus –«, rief Cassidy, aber die Tür war bereits krachend hinter ihm zugefallen.
     
    » Il n’est pas gentil , votre ami «, sagte Elise.
    »Er hat Sorgen«, sagte Cassidy, und ich auch. Und erklärte in seinem besten mütterlichen Französisch, daß Shamus ein großer Schriftsteller sei, vielleicht der größte seiner Zeit, daß sie der erste Mensch auf der Welt sei, der ihn nicht unwiderstehlich finde, daß er soeben sein Meisterwerk vollendet habe und sich natürlich Sorgen mache, wie es aufgenommen würde. Seine Besorgnis beziehe sich genau gesagt (Cassidy fühlte, daß er ihr vertrauen könne) auf eine geschäftliche Angelegenheit. Auf die Filmrechte. Der Verkauf war getätigt, aber noch nicht bestätigt; solche Absprachen fielen gern ins Wasser. Hatte sie vielleicht Doktor Schiwago gesehen? Nun, Shamus hatte den Roman geschrieben; auch Goodbye Mr .  Chips .
    Elise lauschte diesen Erklärungen sehr ernsthaft, doch obwohl sie Macleans Werke bewunderte, genügten sie ihr nicht. Männern mit zwei Namen, sagte sie und öffnete abermals den Paß auf der ersten Seite, sei nicht zu trauen, und Maclean sei nicht nett.
    » Vous êtes aussi artiste , Burgess? « fragte sie.
    » Un peu «, sagte Cassidy. Sie lächelte in schüchternem Einverständnis.
    » Moi aussi «, flüsterte sie und nickte leicht. » Un peu artiste , mais pas … entièrement .«
    Sie war ein stilles Mädchen. Er hatte sofort gewußt, daß sie von taktvoller Stille war, aber jetzt, in der Abenddämmerung, erfüllte sie das Zimmer geradezu mit Stille. Sie bügelte langsam und konzentriert, hatte den Kopf ein wenig schief geneigt, als lauschte sie auf Shamus’ Rückkehr, und als man im Korridor einen Fußball hörte, hielt sie inne und blickte in diese Richtung. Sandra stellte beim Bügeln die Füße weit auseinander und spreizte die Ellbogen wie ihr Vater, der Brigadegeneral, Elise dagegen hielt sich sehr aufrecht und dachte nur an ihre Arbeit.
    »Ich habe gedacht, wir könnten zusammen Abendessen«, sagte er. »Nur Sie und ich.«
    Ihr Kopf hob sich; er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht sehen, aber er hielt ihn für unschlüssig.
    »Wir könnten in den Tour d’Argent gehen, wenn Ihnen das Spaß machen würde.«
    Sie bügelte eine weitere Seite.
    »Nein, Burgess«, sagte sie ruhig. » Pas de Tour d’Argent .«
    »Oh, aber ich kann es mir leisten. Je suis riche , Elise … vraiment . Aber ganz wie Sie wollen, vielleicht gehen Sie lieber ins Theater.«
    » Vous n’avez pas de théâtre à Londres , Burgess?

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