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Wachstumsschmerz

Wachstumsschmerz

Titel: Wachstumsschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Kuttner
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Problem mit dem Zusammenleben an sich. Nur mit der Art und Weise, wie wir es tun. Es fühlt sich irgendwie steif und unsymbiotisch an. Als würden wir nur kopieren, was wir glauben, wie es sein müsste. Verstehst du?«
    »Nicht so richtig, ehrlich gesagt. Ihr seid doch einfach nur ihr selbst.«
    »Eben nicht! Ich habe das Gefühl, dass wir auf eine wenn auch recht moderne Art doch nur Doris Day und Rock Hudson nachahmen. Nur ohne die Petticoats. Wir spielen Zeit-miteinander-Verbringen.«
    »Wie spielt man denn Zeit-miteinander-Verbringen?« Jana scheint tatsächlich nicht zu verstehen, was ich meine, und mir fällt es schwer, nachvollziehbarer zu sein.
    »Na ja, dieses ganze
Wir
. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre unsere Wohnung irgendwie magnetisch. Von dem Moment an, in dem beide zu Hause sind, werden wir aneinander gerissen wie zwei unterschiedlich gepolte Magnete. Wohnungstür zu – zack sind wir nicht zu trennen. Dabei fände ich nichts schöner, als mir diese Nähe ab und zu erkämpfen zu müssen. Zu erbitten wenigstens.«
    »Du wünschst dir, dass Flo keine Zeit mit dir verbringen möchte?«
    »Natürlich nicht. Ich wünsche mir nur weniger Selbstverständlichkeit. Ich möchte, dass Flo seine doofen Nerdfilme auf dem großen Fernseher sieht. Oder an der affigen Minikletterwand im Arbeitszimmer rumklettert. Irgendetwas, das nichts mit mir zu tun hat. Etwas, das mir zeigt, dass er unsere Wohnung auch als
sein
Zuhause begreift. Nicht nur als unseres.«
    »Aber da sind wir wieder beim Punkt. Flo ist nicht zuständig dafür, dass du dich wohl fühlst. Wenn du willst, dass ihr weniger Kram zusammen macht in eurer Wohnung, mach einfach mehr Kram allein!«
    »Mach ich doch! Aber wenn ich dann ein bisschen nähe oder Kram umherräume oder mir die Fingernägel anmale, dann sitzt Flo irgendwo rum und wartet. Er nutzt diese Momente nicht dafür, Klettermagazine zu lesen oder was weiß ich, sondern er surft so lange im Internet, bis ich wieder da bin und
Wir
-Zeit habe.«
    »Vielleicht braucht er einfach nicht so viel
Ich
-Zeit wie du. Vielleicht geht es ihm vollkommen gut damit, in eurer Wohnung
Ihr
-Zeit zu verbringen.«
    »Sag ich doch! Das macht mich irre!«
    Jana stöhnt, was durch ein Telefon unschöne Geräusche macht, und sagt: »Entschuldige, aber noch einmal: Das ist dein Problem, nicht das von Flo. Was soll er denn machen? So tun, als wenn er dringend die alten Star-Wars-Filme noch mal sehen wollte?«
    Ich fühle mich in eine Falle gelockt. Natürlich soll Flo nicht so tun, als ob. Aber er soll wirklich wollen. Ich würde meinem Freund so gern ein wenig beim Leben zusehen, aber ich bin immer so nah bei ihm, dass ich ihn gar nicht mehr sehen kann. Einen künstlichen Abstand herzustellen kann aber augenscheinlich nicht die Lösung sein. Hinzu kommt, dass es mir ja gar nicht fehlt, meinen eigenen Kram zu machen. Es fehlt mir, dass er seinen Kram macht. Mir fehlt das Bedürfnis nach Nähe.
    Als ich das Jana sage, unterbreche ich sie schon, bevor sie antworten kann: »Und ich habe kein Problem mit Nähe. Jedenfalls nicht per se. Ich möchte nicht alleine wohnen, ich will keine Fernbeziehung, ich will nicht, dass Flo weit weg ist. Mir würde nur ab und zu eine Armlänge Abstand gefallen. Nur so viel Entfernung, dass ich ihn wieder sehen kann.«
    Und bevor Jana wieder ihr Sprüchlein aufsagen kann, das schon die ganze Zeit wie der Geruch von altem Fuß über uns hängt, sage ich noch schnell:
    »Und ich will, dass diese Armlänge von ihm hergestellt wird.«

» M usst du manchmal an die Schabracke denken?«
    Flo liegt neben mir auf dem Sofa, sein Kopf auf meinem Hintern, während ich auf dem Bauch liege. Tatsächlich sind wir immer noch sehr gute Kuschler. Wir tanzen nicht mehr und schlafen kaum noch miteinander, unsere Verbindung flackert und knistert wie das Störbild eines alten Fernsehers, aber Kuscheln funktioniert noch, als wäre nichts gewesen. In vier Jahren haben wir diese Art von Körperlichkeit perfektioniert. Unsere Körper fügen sich so ideal ineinander, als hätte man uns zu diesem Zweck gegossen. Jede Position, die man zu zweit einnehmen kann, macht Sinn, ist ohne Anstrengung umgehend durchzuführen. Wenn wir einschlafen, liegen unsere Becken aneinander, mein rechter Arm über Flos Taille, meine Hand auf seiner Brust. Die linke Hand berührt seinen Kopf und spielt zu unser beider Beruhigung an Flos Ohrläppchen, bis ich einschlafe.
    Wenn wir aufwachen, spiegeln wir dieses Bild, und mein Kopf

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