Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
fährt für ein paar Wochen in den Urlaub, und da könntest du doch prima einspringen. Ich arbeite dich auch persönlich ein. Total easy. Und du brauchst auch nur die einfachen Sachen zu machen. Regale auffüllen. Bestellungen aufgeben und so. Hm, was meinst du? Das ist doch super, wir arbeiten zusammen, du wirst gut bezahlt und hast deine beste Freundin zum Boss. Besser kann es doch gar nicht sein.«
Ich war richtig gerührt, weil Tina sich zum ersten Mal tatsächlich darüber Gedanken gemacht hatte, was mir im Moment am meisten helfen würde, und nicht, was sie sich selbst am liebsten in meiner Situation schenken würde. Aber ich war die denkbar ungeeignetste Person für diesen Job, das musste sie selbst am besten wissen. Ich bestellte mir ein weiteres Kölsch, um Zeit zu gewinnen, obwohl es nur eine Antwort auf ihr Angebot geben konnte.
»Okay. Ich mach’s.« Schließlich wollte ich mich ändern.
ALLER ANFANG
IST SCHWER
Mein erster Tag in Tinas Laden fing sehr friedlich an, nachdem ich ihren deutlichen Hinweis, dass ich in den Klamotten unmöglich in einem Beauty-Salon arbeiten könne, widerspruchslos hatte über mich ergehen lassen. Ich musste ihr versprechen, morgen nicht wieder in Jeans und T-Shirt aufzukreuzen. Zum Einstieg durfte ich Kartons öffnen und Haarpflegeprodukte in das Hair-Styling-Regal einräumen. Die Arbeit erinnerte mich an die Aushilfsjobs, die ich während der Schulzeit oft gemacht hatte, und ich fühlte mich mit meinem abgebrochenen Lehramtsstudium etwas überqualifiziert. Gegen Mittag stellte sich heraus, dass ich im Gegenteil noch einiges dazulernen musste. Ich war gerade dabei, den letzten Karton wegzuräumen, als Tina dazukam und die Hände über ihrem Kopf zusammenschlug.
»Oh, Süße nein, so geht das doch nicht. Ich hab dir doch gesagt, du sollst sie sortieren.«
»Das habe ich doch. Hier steht L'Oréal, hier Garnier, da Wella, und Schwarzkopf habe ich ganz ans Ende getan, weil ich als Kind immer dachte, von den Shampoos bekommt man schwarze Haare.«
»Aber doch nicht einfach nur nach Marken. Schau mal, hier kommen die Shampoos hin, hier die Spülungen, Haarkuren, Haarlack, Haarspray und so weiter. Und du kannst doch den Soft-Töner nicht einfach zu der Coloration stellen. Hier die Creme-Colorationen, da die Intensivtönungen und Color-Schaumfestiger und hier die Colorationsmasken. Alles klar?«
Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich das alles ins Regal geräumt hatte.
»Ich glaube zwar nicht, dass es dadurch übersichtlicher wird, aber bitte. Was waren das noch für Zeiten, als es nur stinknormale Seife gab«, grummelte ich und räumte das Regal wieder leer.
»Nur weil du bis heute nie was anderes benutzt hast, heißt das ja nicht, dass andere ihre Haare nicht besser pflegen dürfen.« Tina tätschelte meinen Kopf und ging.
Es dauerte ewig, bis ich die feinen Nuancen der Haarpflegekultur durchschaut hatte und die Intensivtönung neben dem Soft-Töner, das Tönungsmousse neben der Tönungswäsche und der Tönungsfestiger neben der Creme-Schaum-Tönung stand. Ich war gerade dabei, die aufhellende Creme-Coloration von der Creme-Coloration mit Aufheller zu trennen, als mir eine große dicke Frau ihre Finger unter die Nase hielt.
»Was sehen Sie?«, fragte sie. Aus Erfahrung wusste ich, dass die Frau nicht wirklich wissen wollte, was ich sah, sondern lediglich bestätigt haben wollte, was sie bereits gesehen hatte. Ich schaute mich hilfesuchend nach Tina um, aber die war gerade damit beschäftigt, eine schrumpelige Oma, die mindestens sechzig war, auf ungefähr die Hälfte herunterzuschminken, während meine Kollegin einer jungen Frau die Fußnägel aufpolierte.
»Lange rote Fingernägel mit Punkten«, antwortete ich also wahrheitsgetreu.
»Sie halten sich wohl für besonders schlau, was?«, fragte die dicke Frau empört.
»Ich glaube nicht, dass für die Beantwortung dieser Frage besonders viel Intelligenz nötig ist, deswegen werden Sie mir die Antwort sicher gleich verraten, oder?«
Ich wusste schon immer, dass ich im Dienstleistungsgewerbe fehl am Platz war, aber bei diesen Fingernägeln war meine Geduld schon am Ende gewesen, bevor ich überhaupt das dazugehörige Gesicht gesehen hatte.
»Also, das ist ja wohl die Höhe«, schrie die Frau nun laut, da ich ihr endlich das nötige Stichwort zum berechtigten Herumkeifen gegeben hatte. »Aber was will man von einem Laden wie diesem auch erwarten. Hören Sie mal zu, junge Frau, ich habe mir hier gestern die Nägel
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