Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
dass ich dich auch wiederfinde, wenn du dieses Mal rausgeworfen wirst.«
Ich sah ihn überrascht an. Tim band mir den Schal um den Hals. Ich ließ irritiert die roten Kordeln durch meine Finger gleiten.
»Danke.«
Tim nickte nur und sah mir viel zu lange in die Augen, als hätte er mir nicht gerade einen FC-Schal, sondern eine millionenschwere Diamantenkette um den Hals gelegt. Dann drehte er sich um und lief die Treppe hinunter. Ich schaute ihm verwirrt nach.
Es war einfacher, ins Stadion zu gelangen, als ich aufgrund meiner Vorgeschichte befürchtet hatte. Wir durften das Stadion nicht nur durch den VIP-Eingang betreten, sondern wurden von den Ordnern sogar herzlich gegrüßt. Mit Tim als Eintrittskarte standen mir alle Türen offen, und ich hätte vermutlich sogar die Umkleidekabine der Kölner Mannschaft besuchen können, wenn das Spiel nicht in wenigen Minuten angefangen hätte.
Tim schaute kurz auf seine Armbanduhr. »Noch fünf Minuten. Wenn du deinem Freund Hallo sagen willst, können wir noch im Pressezentrum vorbeischauen.«
Ich überlegte einen Moment, wen er damit meinte. »Meinem Freund? Oh, ach so, Udo. Das ist nicht mein … Nein, lieber nicht. Ich meine, ich glaube nicht, dass er hier ist.«
Sofort ärgerte es mich, dass ich so nervös reagiert hatte. Tim hatte Özlems Nervenzusammenbruch offenbar noch gut in Erinnerung, und ich hatte mit meinem Gestammel nicht unbedingt dazu beigetragen, mein Gerücht über Udo und mich aus der Welt zu räumen. Als wir die Treppe zur Ehrentribüne hinaufstiegen, hielt ich Tim zurück: »Ich hab nichts mit Udo, falls du das denkst. Özlem hat da nur was falsch verstanden.«
Tim hob abwehrend die Hände. »Keine Angst, von mir erfährt Frank bestimmt nichts.«
»Frank? Nein, um Frank geht es ja auch gar nicht. Ich meine nur, ich habe nicht mit Udo geschlafen, nur um an diesen Job zu kommen. Also ich habe natürlich überhaupt nicht mit ihm geschlafen, und … und … wir hatten das auch nie vor. Ich habe den Job wirklich nur wegen unserer Fachgespräche bekommen, na ja, auch wenn ich damals noch nicht so viel über Fußball … «
»Mich brauchst du davon nicht zu überzeugen, Karina«, unterbrach Tim meine Unschuldsbeteuerungen. »Ich weiß, dass du es auch anders kannst.«
»Oh, okay.« Ich sah Tim dankbar an und folgte ihm zu unseren Plätzen. Es dauerte allerdings noch eine Weile, bis wir uns setzen durften, denn Tim schien alle im Stadion bis hin zum Eisverkäufer persönlich zu kennen.
Endlich wurde das Spiel angepfiffen, und die Aufmerksamkeit von vierzigtausend Zuschauern und mir verlagerte sich schlagartig von der Tribüne aufs Spielfeld. Die Stimmung war überwältigend. Die Sonne schien, auf dem Rasen ging es munter hin und her, die Südkurve glich einem Warenlager für rot-weiße Fanartikel, und die Fans halfen ihrer Mannschaft mit unmusikalischen Gesangseinlagen, wo sie nur konnten. Ich wurde sofort vom Lokalpatriotismus mitgerissen und feuerte die Kölner an, während Tim das Spiel ziemlich skeptisch beobachtete. Ich stupste ihn an: »Hey, wenn du schon da unten nicht mehr mitspielst, kannst du wenigstens hier oben mithelfen.« Und schon stand ich wieder mitten im Fettnäpfchen. »’tschuldigung. Es ist wahrscheinlich nicht so einfach, wenn man plötzlich auf dem Platz nicht mehr dabei ist, oder?«
Er zuckte mit den Schultern: »Nein, wieso, die Ehrentribüne ist doch viel bequemer als die Ersatzbank.«
Ich nahm ihm das zwar nicht ganz ab, wurde aber durch eine riesige Torchance der Kölner abgelenkt – Angriff über die linke Seite, gute Flanke nach innen, Volleyschuss, und der Ball war drin!
Eins zu null für den FC. Da hielt es auch Tim nicht mehr auf seinem Platz.
»Also gut. In solchen Augenblicken vermisse ich es schon. Aber wehe, ich lese das irgendwann einmal in der Zeitung.«
»Keine Sorge. Großes Journalistenehrenwort.«
»Na, dann kann ich mich ja auf was gefasst machen.«
Das Spiel wurde immer spannender. Auf beiden Seiten gab es jetzt Torchancen fast im Sekundentakt, und dann fiel der Ausgleich ausgerechnet durch ein Eigentor. Nach der Pause hatte das Spiel wirklich alles zu bieten, was einem ein Fußballspiel eben so bieten konnte. Führungstreffer für die Kölner, Ausgleich, Foul, Rote Karte – Tim und ich hatten überhaupt keine Gelegenheit mehr, das Spiel zu analysieren. Und als schließlich das entscheidende Tor für Köln in der neunzigsten Minute fiel, umarmte er mich aufgeregt. Ich überlegte noch fieberhaft,
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