Wächter der Macht 04 - Exil
von Kyps Anwesenheit klar. Vor einigen Monaten hatte Kyp bei einer Zusammenkunft des Jedi-Rates vorgeschlagen, Jacen in ihre Mitte aufzunehmen.
Offensichtlich war die Kunde darüber irgendwie aus den Ratskammern herausgesickert und an die Ohren und Trommelfellmembranen von Omas und Niathal gelangt, und man hatte Kyp hierher geholt, um ihre Argumentation zu unterstützen.
Kyp wirkte verwundert, doch Luke stellte bei ihm kein aufrichtiges Gefühl von Überraschung fest. »Ich bitte um Verzeihung?«
Niathal blickte ihn an. »Sie haben doch dafür plädiert, dass Jacen Solo zum Meister erhoben wird.«
Kyp nickte, ein bisschen unsicher. »In gewisser Weise.«
Argwohn kroch in Niathals Stimme. »In welcher Weise?«
Kyp schaute weiterhin unbehaglich drein. »Nun, zweifellos sind Sie mit der Rolle von taraschi in den Debatten des Jedi-Rates nicht vertraut.«
»Dem taras...«
»...chi. Das ist eine Art ritualisierter Diskussionsgegner.« Kyp warf einen Blick zu Luke und Mara, als würde er ihre Unterstützung suchen. »In bestimmten Jedi-Traditionen benennt jede Diskussionsgruppe - oder der Gesprächsführer -einen taras-chi. Der Zweck des taras-chi besteht darin, Gedanken in den Raum zu werfen, die dem gegenwärtigen Wissensstand zuwiderlaufen. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass alle möglichen Sichtweisen der Sache zur Sprache kommen. Es ist dabei allerdings nicht der vom taras-chi vorgebrachte Gedanke, der geprüft werden soll - es geht darum, jene Angelegenheit zu konkretisieren, die gerade ausdiskutiert wird. Das ist wie bei einer Larve, die bloß totes Fleisch frisst. Setzen Sie sie auf eine Wunde, dann verschlingt sie bloß das, das ohnehin nicht überleben kann. Lebendem Fleisch schadet sie nicht - genau wie jener Gegengedanke einer guten Idee oder stichhaltigen Schlussfolgerungen nicht schaden kann.« Kyp dachte einen Moment lang nach. »Ich nehme an, das, was dem in der Regierungswelt am nächsten kommt, wäre ein Hofnarr oder die freie Presse.«
Staatschef Omas und Admiralin Niathal tauschten einen Blick. Omas wirkte gelinde verwirrt, Niathals Haltung hingegen deutete daraufhin, dass sie verärgert war.
Omas räusperte sich. »Ich verstehe nicht ganz, wie.«
»Bei jener Zusammenkunft«, fuhr Kyp fort, »drehte sich das Gespräch um Jacen Solos Aktivitäten und ob sie einem Jedi gebührlich wären oder nicht. Also habe ich im Geiste des taraschi nicht bloß meine unkritische Zustimmung für Jacen zum Ausdruck gebracht, sondern sogar vorgeschlagen, ihm die größte Ehre zu gewähren, die einem Jedi zuteilwerden kann -als Prüfstein des grundsätzlichen Gesprächsthemas.«
Frostigkeit schlich sich in Niathals Stimme, als sie sagte: »Wollen Sie damit sagen, dass Sie Jacen Solos Ernennung nie tatsächlich unterstützt haben?«
Kyp warf ihr einen eigenartigen Blick zu. »Ich unterstütze die Entscheidungen des Meisters des Ordens, Admiral. Und gestatten Sie, dass ich Ihnen ein Beispiel dafür gebe, dass Macht und Fertigkeit im Umgang mit den Jedi-Künsten nicht zwangsläufig Grundstein für die Meisterwürde sind: Als ich noch ein Jugendlicher war, gelang es mir, ein Raumschiff aus dem Schwerkraftfeld eines Gasriesen zu ziehen. Das ist etwas, das nicht viele Meister zustande bringen. Ich war dazu imstande, weil die Macht in mir stark war - und weil ich vollkommenes Vertrauen darin hatte, dass ich das Richtige tue, so wie ich auch vollkommen davon überzeugt war, dieses Schilf unbedingt für einen bestimmten Zweck zu benötigen. Aber ich bezweifle, dass ich heute noch einmal dazu in der Lage wäre.
Ich bin heute nicht schwächer in der Macht und außerdem wesentlich erfahrener als früher - doch heute bin ich selbstkritischer und weiß, dass ich nicht in allen Dingen richtigliege, und dieses Wissen würde mich der Konzentration berauben, die ich damals brauchte, um diese Aufgabe zu bewältigen. Damit stellt sich die Frage: War ich seinerzeit ein Meister oder bin ich es jetzt?«
Staatschef Omas und Niathal wechselten einen weiteren Blick. Omas' Gesicht war gelassen, doch Niathals Körpersprache verriet, dass dieser Teil des Treffens nicht so gelaufen war, wie sie gewollt hatte.
Omas unternahm einen neuen Versuch und suchte Lukes Blick. »Meister Durrons Geschichte bestärkt mich noch in meinem Standpunkt. Ihm fehlte die Erfahrung, die er brauchte - Erfahrung, die ihn dazu veranlasst hätte, den Rat anderer zu suchen. Aber Colonel Solo mangelt es nicht an dieser Erfahrung. Er ist zu uns gekommen,
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