Wächter der Macht 04 - Exil
was ihr beliebte, ihm Bilder zeigte, kleine Eindrücke von Gedanken und Gefühlen durch ihn hindurchflackern ließ - und die ganze Zeit über suchte er, hielt die Augen offen, als wäre die Macht ein Ozean, in dessen Wellen und Strömungen er ein ganz bestimmtes, fernes vertrautes Gesicht entdecken wollte.
So war es auch. Und er fand es. Sehr weit weg, winzig in der Ferne, aber nachweislich noch immer am Leben. Lumiya.
Und mit einem Mal war sie ihm näher, viel näher, tauchte auch in seinem physischen Blickfeld auf, keine zwei Meter vor ihm. Sie sah aus, als wäre sie ein zweidimensionales Geschöpf, das sich im rechten Winkel zu seiner Sichtlinie befunden hatte, um dann plötzlich zur Seite zu kippen, sodass er sie ganz plötzlich sehen konnte.
Wie in den vergangenen Jahren trug sie auch jetzt ein Ensemble aus dunkler Hose und Waffenrock und hatte ein Kopftuch um ihr Haupt gewickelt. Ein Teil davon verbarg ihre Nase und ihren Mund, um in einem spitzen Zipfel zu enden, der nach unten auf ihre Brust wies, während zwei andere von ihrer Stirn abstanden, als würden sie die Hörner eines Devaronianers verhüllen, was ihrem Schädel eine seltsam dreieckige Form verlieh.
Sie lag auf der Seite, als würde sie auf einem Sofa ruhen. Es war jedoch kein Sofa zu sehen, stattdessen schwebte sie ebenso wie Jacen in der Luft. Sie hatte den Kopf angehoben, und ihr Blick wirkte unkoordiniert; sie brauchte einen Moment, um sich auf ihn zu konzentrieren. »Jacen?« Ihre Stimme klang fern und hallte wider, als befände sie sich in einer großen Kammer mit festen Wänden.
Einen Moment lang war er verblüfft. Er hatte um ihre Fähigkeit gewusst, von ihrem Zuhause auf einem Asteroiden aus, der von konzentrierter Machtenergie durchflutet war, an jedem beliebigen Ort realistische Machtphantome entstehen zu lassen. Doch er hätte nicht gedacht, dass sie die Technik auch zum Zweck simpler Kommunikation einsetzte. Er beneidete sie um diese Fertigkeit. Vielleicht würde sie ihm eines Tages verraten, wie sie das zustande brachte.
»Lumiya«, sagte er. »Es freut mich, dass du überlebt hast.«
»Vielen Dank.« Sie legte den Kopf wieder hin, wie auf ein Kissen. Ihre Bewegungen suggerierten Erschöpfung, sogar Schmerz. »Ich kuriere mich aus. Hier kann ich wieder zu Kräften kommen. Euer Onkel hat mich verwundet.«
»Und dennoch klingst du nicht verärgert.«
Sie lachte, doch das Lachen klang schwach. »Ich bin daran gewöhnt. Wann immer wir zusammentreffen, erwarte ich, dass er mir wehtut. Vermutlich wird er das so lange machen, bis ich sterbe - oder bis Ihr und ich triumphiert haben und er gezwungen ist, unseren Standpunkt anzuerkennen.«
»Ich stecke derzeit in der Warteschleife, Lumiya. Warte darauf, dass die Verhandlungen mit den Corellianern Früchte tragen. Sinniere darüber, wohin meine Studien mich führen müssen.«
»Aha.« Sie schwieg einen Moment lang. Jacen sah, wie sie Luft holte - es schien ihr Mühe zu bereiten. »Ihr habt über Euer Opfer nachgedacht. Darüber, das zu opfern, was Ihr liebt. Zu lieben, was Ihr opfert.«
»Ja. Ich bin jetzt. bereiter dazu.«
»Gut. Und habt Ihr Euch nach einem Schüler umgesehen?«
»Ben ist mein Schüler. Obwohl ich vor kurzem erkannt habe, dass ich auch ihn opfern kann, falls ich es muss.«
»Ben ist Euer Jedi-Schüler, nicht Euer Sith-Schüler.«
»Ich bin bislang noch kein richtiger Sith und kann deshalb auch keinen Sith-Schüler haben.«
Ihr Seufzen klang gereizt. »Ihr redet um den heißen Brei herum. In Wahrheit wisst Ihr nur nicht, ob er der Richtige dafür ist, um zu einem Sith-Schüler zu werden. Der Zeitpunkt, sich darüber klar zu werden, ist jetzt - nicht, wenn Ihr Euch zu erkennen gebt. Ihr müsst ihn auf die Probe stellen.«
»Er ist wieder bei seinen Eltern, und die wollen nicht, dass er sich mit mir trifft.«
Lumiya lag schweigend da, ungefällig. Sie beobachtete ihn und wartete.
»Also.«Er dachte nach. »Ich muss Ben von Luke und Mara trennen und ihn auf die Probe stellen.«
Lumiya nickte. »Wenn Ihr es wünscht, werde ich die Prüfung arrangieren. Doch Ihr müsst entscheiden, wie sie aussehen soll.«
»In Ordnung.«
»Und Ihr müsst entscheiden, was mit ihm zu tun ist, falls er versagt.«
»Ja.«
»Wenn er versagt, werdet Ihr ihn dann weniger lieben?«
Jacen zögerte mit seiner Antwort. Er musste tief in seine eigenen Gefühle hineinblicken, um sich auszumalen, was er in Bezug auf Ben empfinden würde, falls der Junge scheiterte. »Ich glaube. Im
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