Wächter der Menschheit - Green, S: Wächter der Menschheit - The Man with the Golden Torc
weshalb ich Mr. Stich nicht schon vor dieser Begegnung getötet hatte, war der, dass ich nie gewusst hatte, wo ich nach ihm suchen sollte. Ich hatte einige seiner Opfer gesehen - oder das, was er von ihnen übrig gelassen hatte -, und das reichte mir. Molly erriet, was ich vorhatte, packte mich am Arm und zog mich herum, um mir wütend direkt ins Gesicht zu starren.
»Unterstehen Sie sich, mich vor meinen Freunden in Verlegenheit zu bringen!«
»Das ist ein Freund? Mr. Stich? Wissen Sie, wie viele Frauen wie Sie er umgebracht hat?«
»Aber mir hat er nie etwas zuleide getan, und auch keiner meiner Freundinnen, und er war für mich da, wenn ich ihn brauchte. Selbst Monster sind nicht immer Monster, schon vergessen? Ich habe in meiner Zeit aus scheinbar guten Gründen getötet, und bei Ihnen ist es nicht anders. Glauben Sie wirklich, die Welt sieht Sie irgendwie anders als ihn? Wie viele trauernde Familien haben Sie in ihrem blutigen Kielwasser hinterlassen, Edwin Drood?«
Ich atmete langsam und tief durch und zwang mich zu einer Art Ruhe. Ich war wegen Antworten hierhergekommen, und die, die ich brauchte, konnten nur freiwillig gegeben werden. Ich nickte Molly fahrig zu, und sie ließ meinen Arm los. Wir drehten uns wieder zu den anderen um.
»In meiner Familie gibt es einen Verräter«, sagte ich steif. »Ich wäre dankbar für jede Information, die Sie mir geben können.«
»Wie dankbar?«, wollte U-Bahn-Ute wissen. »Sprechen wir von ernst zu nehmenden Summen?«
»Meinen Sie wirklich, ich würde hier stehen und mit Ihnen reden, wenn ich ernst zu nehmende Summen besäße?«, versetzte ich ein kleines bisschen schroff. »Ich bin vogelfrei, verfemt, geächtet. Alles, was ich habe, ist das, worin ich morgens aufstehe.«
»Ich bin sicher, dass wir irgendwie ins Geschäft kommen könnten«, meinte das Blumenmädchen mit ihrer hauchigen Stimme, zwinkerte mir zu und verdarb dann die Stimmung, indem sie kicherte.
»Es gibt einen Verräter im Herzen der Droods«, sagte Buddler Browne. »Das ist Allgemeinwissen. Aber ich glaube nicht, dass irgendwer weiß, um wen es sich handelt.«
»Eine Menge Leute haben Namen genannt«, sagte Mr. Stich. »Aber das ist alles bloß Herumgerate. Eine Menge Leute waren der Meinung, Sie könnten es sein, Edwin. Ein Frontagent, der auf eigene Rechnung arbeitet, weit entfernt von der zentralen Drood-Kontrolle, der einzige Drood, der je von zu Hause fortgelaufen und nicht von seiner Familie wie ein Hund zu Tode gehetzt worden ist. Es haben nur deshalb nicht alle gedacht, Sie wären es, weil das zu offensichtlich gewesen wäre.«
»Und keiner von Ihnen weiß, wieso man mich zum Vogelfreien gemacht hat?«
»Ich habe hin und wieder ein paar Arbeiten für Ihre Familie verrichtet«, sagte Buddler. »Ich hätte geschworen, dass Sie deprimierend peinlich sauber sind, wie die meisten in ihrer Familie. Na gut, stimmt schon, sie leiten die Welt und das alles, aber -«
»Auch ich habe Arbeit für die Droods verrichtet«, sagte Mr. Stich. Er lächelte mich schief an. »Fast jeder hier hat das, das ein oder andere Mal. Es ist die Welt der Droods; wir leben nur darin.«
»Wir würden uns nie mit Abschaum wie Ihnen abgeben!«, versetzte ich, aber es überzeugte mich selbst nicht. Ich wusste nicht mehr, wozu meine Familie fähig war.
»Es gibt viele wie uns«, sagte Molly vorsichtig. »Man erlaubt uns, tätig zu sein, solange wir das Boot nicht zu stark zum Schaukeln bringen. Solange wir den Zehnten bezahlen oder ihnen ab und zu einen Dienst erweisen. Schmutzige Aufträge, nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Fälle; die Art, für die ihr regulären Frontagenten nicht geeignet seid. Die Art, von der ihr nie erfahren sollt, weil sie sonst eure kostbare Ehre beschmutzen könnte. Wir alle haben schon die Drecksarbeit der Droods erledigt. Deshalb sind wir auch alle so bereit, sie zu Fall zu bringen.«
In meinem Kopf drehte sich alles. Mir war übel. War es wirklich möglich, dass ich mein ganzes Leben damit verbracht hatte, einer Lüge Vorschub zu leisten? War mir jetzt wirklich noch etwas übrig geblieben, außer meine eigene Familie zu Fall zu bringen?
Kapitel Zwölf
Vom Berg der Läuterung zur Hölle
Es gibt Momente im Leben jedes Mannes, wo die Frau, mit der er sich eingelassen hat, sich plötzlich das Näschen pudern muss und verschwindet und es ihm überlassen bleibt, höfliche Konversation mit ihren Freunden zu machen. Ich persönlich würde mir lieber Nadeln in die Augen stecken, aber
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