Waechter des Labyrinths
platzte Sandro heraus. «Mein Vater ist nicht korrupt.»
«Wirklich nicht?», erwiderte der General trocken. «Und warum zahlt er mir dann jeden Monat hunderttausend Dollar?»
Das verhaltene Gelächter aus Bewunderung für so offene Worte wurde schnell abgewürgt. «Na schön», sagte Ilja, der wusste, wann die Zeit für Einschüchterungen gekommen war und wann zum Zuhören. «Was schlagen Sie vor?»
«Unser Land blutet noch immer von der russischen Besatzung», sagte der General. «Das Volk strebt nach einem Umschwung, aber nicht nach irgendeinem Umschwung. Es will einen Umschwung mit Hoffnung. Es will Umschwung in Ehren. Überzeugen Sie die Menschen, dass Sie der Mann sind, der für Georgien bestimmt ist, dann wird sich die Armee um Sie scharen wie um einen Erlöser, und ich muss niemanden überzeugen. Im Moment sind Sie Anführer einer Partei; Sie müssen Anführer einer Bewegung werden. Sie müssen die Menschen begeistern. Sie müssen eine Fahne hochhalten, der sie folgen können. Ansonsten …» Er schüttelte den Kopf.
Nach dieser nüchternen Einschätzung wurde es still am Tisch. Im tiefsten Inneren wusste jeder, dass sie richtig war, und zwar nicht nur, was die Armee anging, sondern für ganz Georgien. Ilja beugte sich vor. «Eine Fahne, der sie folgen können», murmelte er. «Es gibt da etwas.»
«Was?»
Er warf Sandro einen Blick zu. «Mein Sohn arbeitet gerade daran.»
Alle schauten in Sandros Richtung. Er spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Im Grunde war es noch zu früh, um die Idee vom Goldenen Vlies in Umlauf zu bringen. Wenn nichts daraus wurde, würden sie sich lächerlich machen. Er schaute auf und suchte im Anblick des großen Schildes an der gegenüberliegenden Wand Inspiration. Er war so blank poliert, dass er leicht verschwommen sein Spiegelbild und das Glimmen des Feuers wie einen Heiligenschein hinter sich sehen konnte. Der Schild trug das Familienwappen der Nergadses, einen aufgerichteten Löwen, der einen Speer hielt. Auch den Schild sowie alle anderen Waffen und Rüstungen an den Wänden hatte er in Auftrag gegeben. Aus Neugier, wie überzeugend diese Nachahmungen gefertigt waren, hatte er einige Stücke nach Tiflis gebracht und es so arrangiert, dass Edouard, ihr langweiliger Historiker, wie durch Zufall auf sie stieß. Wie begeistert der großartige Experte gewesen war! Und wie sie gelacht hatten, nachdem er verschwunden war! Aber wenn Gurieli jemanden wie ihn täuschen konnte … «Ich muss mit einigen Leuten sprechen, bevor ich Ihnen davon berichten kann», sagte er. «Aber glauben Sie mir, Sie können tatsächlich ein paar sehr interessante Neuigkeiten erwarten.»
Kurz danach löste sich die Versammlung auf, und die Teilnehmer standen fröhlich plaudernd beisammen, während ihnen aus Vorfreude auf ein weiteres Bankett der Nergadses schon das Wasser im Munde zusammenlief. Ilja packte Sandro am Arm und zog ihn beiseite. «Du beschaffst mir besser mein verdammtes Vlies», sagte er.
«Keine Sorge, Vater», versicherte Sandro ihm. «Ich werde es dir beschaffen. So oder so, ich werde es beschaffen.»
II
«Auf den Erfolg!», prostete Michail den anderen zu. Sie saßen mit ihren Wodkagläsern um den Couchtisch herum.
«Auf den Erfolg!», echoten sie.
Die eiskalte Flüssigkeit kühlte und wärmte Edouards Kehle zugleich. Seine Augen begannen zu tränen, er musste blinzeln. So starken Alkohol war er nicht gewöhnt, aber ablehnen konnte er nicht. Boris füllte ihre Gläser erneut, dann ließ sich Michail in einen Sessel fallen und legte die Füße auf den Tisch. «Und ihr wisst alle, was wir hier zu tun haben?», fragte er.
«Ich weiß es», sagte Boris.
«Ich auch», sagte Zaal.
Edouard setzte sich auf die Lehne des Sofas, so weit weg von Michail wie möglich. «Ich weiß nur, was Ihr Vater mir erzählt hat», sagte er.
«Und das wäre?»
Edouard musste ein wenig lächeln. «Dass wir hier sind, um das Goldene Vlies zu kaufen.»
«Finden Sie das witzig?», fragte Michail stirnrunzelnd.
«Das Vlies existiert nicht», sagte Edouard. «Es hat nie existiert. Es war immer nur eine Legende, mehr nicht.»
«Sie irren sich», entgegnete Michail. «Es hat existiert. Es existiert. Und wir werden es morgen kaufen.»
Edouard breitete seine Arme aus. «Hören Sie», sagte er, «Ihr Vater und Ihr Großvater haben mich gebeten herzukommen, weil ich Experte für solche Dinge bin. Und als Experte sage ich Ihnen, dass es so etwas wie das Goldene Vlies nie gegeben hat. Es war nur ein
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