Waechter des Labyrinths
Empfang mehr geben. So erfahren Iain auch sein mochte, ihr war unwohl dabei, dass niemand wusste, wo sie waren. Daher stellte sie sich an den Rand des Kraters und machte ein Foto von Petitiers Haus auf der Ebene und eines von sich mit Kussmund. Dann setzte sie sich wieder hin, schrieb Knox, was sie bisher erreicht hatte, und schickte die Nachricht und die Fotos ab.
Keine fünf Minuten später kehrte Iain zurück. «Gute Neuigkeiten», sagte er. «Ich habe einen Weg gefunden. Jedenfalls so was Ähnliches.»
«So was Ähnliches?», wiederholte sie. Wenn sie nur an den schwindelerregenden Abstieg dachte, begannen ihre Füße schon zu kribbeln. «Und wenn das da unten gar nicht Petitiers Haus ist?»
«Es muss sein Haus sein. Die Frau im Laden hat es mir genau so beschrieben. Außerdem, wer sonst sollte hier draußen wohnen? Die Einheimischen werden ohne Gesellschaft verrückt, nur wir Ausländer sind gern allein.»
«Und wenn es abgeschlossen ist?»
«Kein Problem. Wir haben ein Zelt und genügend Vorräte. Wenn wir jetzt umkehren, müssen wir morgen früh wiederkommen. Und wurde mir nicht irgendwie der Eindruck vermittelt, dass eine gewisse Eile geboten ist, den Namen eures französischen Freundes reinzuwaschen?»
Die Erwähnung von Augustin war der Ansporn, den Gaille brauchte. «Du hast recht», sagte sie und stand auf. «Also los.»
IV
Sokratis fuhr grimmig schweigend ins Stadtzentrum von Athen. Nadja sollte spüren, dass er es ihr übelnahm, wie sie ihn behandelt hatte. Da nicht viel Verkehr herrschte, erreichten sie bald ihr Hotel. Er hielt davor an, öffnete den Kofferraum, damit sie ihr Gepäck herausnehmen konnte, und fuhr dann grußlos davon.
Seine Verärgerung war aber nur eine Fassade, um seine wahren Absichten zu verbergen. Er fuhr einmal um den Block, parkte zweihundert Meter vom Hotel entfernt und beobachtete von dort den Eingang. Er musste nicht lange warten, bis sein Verdacht bestätigt wurde. Ein Taxi hielt vor dem Hotel, Nadja kam mit ihren Taschen heraus und schaute sich verstohlen um, als sie die Stufen hinunterhumpelte.
Dieses Miststück! Er hatte gewusst, dass sie etwas vorhatte.
Er gab ihr einen ordentlichen Vorsprung, denn sie war mit Sicherheit auf der Hut. Das Taxi fuhr nach Plaka, dem touristischen Zentrum am Fuße der Akropolis, und hielt dann vor einem anderen Hotel. Sokratis parkte hinter einem Lieferwagen, um nicht entdeckt zu werden. Er beobachtete, wie ihr ein Portier mit dem Gepäck half. Sie bezahlte den Taxifahrer und humpelte dann hinein.
Noch während Sokratis den Plan schmiedete, bekam er ein schlechtes Gewissen. Doch er schob es mit aller Macht beiseite. Ein Dach über dem Kopf, Essen auf dem Tisch, etwas Geld, um ab und zu eine Frau auszuführen, mehr verlangte er nicht. Außerdem stand auf seiner Website klipp und klar, dass er auf Scheidungen spezialisiert war. Nur durch ihre Schuld war er in diese unerträgliche Situation geraten. Ja. Es war alles nur ihre Schuld, verdammt.
DREIUNDZWANZIG
I
Knox lehnte an der Tür des Metroabteils, als sich eine Frau in Trauerkleidung zwischen den Fahrgästen hindurchschlängelte, einen Säugling an die Hüfte geschmiegt und die rechte Hand ausgestreckt. Wie auswendig gelernt sprach sie einen Bettelreim, offenbar ohne Almosen zu erwarten oder welche zu bekommen. Die Bahn fuhr auf diesem Streckenabschnitt auf erhöhten Schienen, sodass man einen guten Blick über die Stadt hatte. Nico hatte recht. Man konnte das Olympiastadion tatsächlich aus der Ferne sehen, seine schimmernden weißen Bögen thronten über hässlichen Vororten, die durch Graffiti und Satellitenschüsseln noch abstoßender wirkten.
Er stieg in Irini aus, ging die Stufen hinunter und gelangte zwischen zwei seichten Zierbecken auf einen Vorplatz, über den der Wind fegte. Knox zog den Zettel hervor, auf dem Nico ihm die Adresse von Antonius notiert hatte, und sprach dann einen Passanten nach dem anderen an, bis ihm endlich einer den Weg beschreiben konnte. Er überquerte einen riesigen Parkplatz und bog in eine verkehrsberuhigte Straße mit vornehmen Häusern und polierten Autos, zwischen denen hier und da Container standen. Nur Antonius’ Haus war von dieser Gentrifizierung verschont geblieben und wirkte wie ein fauler Zahn in einem ansonsten perfekten Gebiss. Der Vordergarten war ein Urwald, die Mauern mit Efeu überwuchert. Wie der Besitzer hatte sich das Haus eingeigelt.
Als Knox klingelte, passierte nichts. Er legte ein Ohr an die Tür, aber die Nachbarn
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