Wächter des Mahlstroms
Du kannst die Augen zubehalten. Ich führe dich und sage dir, wenn wir außer Sichtweite sind.«
Ryder mußte seine Begleiterin halb den steinigen Weg hinabtragen, doch er schaffte es. Als das tödliche Schlangengehege ihren Blicken entschwunden war, öffnete das Mädchen die Augen, woraufhin die beiden den Abstieg auf eine üblichere Weise fortsetzten. Ziemlich weit unten stießen sie auf einen Mann, der ihnen hastig entgegenkletterte.
»Oh, Dr. Fairchild! Es hat einen ...« Doch Ryder brauchte seine Meldung nicht zu beenden; es hatte bereits Alarm gegeben.
»Ich weiß schon Bescheid«, sagte der Wissenschaftler schweratmend. »Halt! Bleiben Sie stehen!« Er deutete auf den Boden zum Zeichen, daß die beiden jungen Leute sich keinen Schritt von der Stelle rühren sollten. »Reden Sie nicht – wechseln Sie kein Wort, bis ich zurück bin.«
Fairchild kehrte nach einiger Zeit zurück, gelassen und entspannt. Er fragte das nervöse Paar nicht, ob es die Ereignisse verfolgt hatte. Er wußte Bescheid.
»A-a-ber, Doktor ...«, begann Ryder.
»Bewahren Sie Ruhe – reden Sie nicht!« befahl Fairchild brüsk und fuhr im normalen Gesprächston fort: »Solange wir diesen außerordentlichen Vorfall nicht untersucht und bis auf den Grund analysiert haben, läßt sich die Möglichkeit von Sabotage oder Spionage nicht ausschließen. Als einzige Augenzeugen wird Ihr Bericht von besonderer Bedeutung sein. Doch Sie dürfen kein Wort sagen, bis wir uns an einem Ort befinden, der völlig sicher ist vor Spionstrahlen jeder Art. Verstehen Sie, was ich damit meine?«
»O ja! Ja, wir verstehen Sie!«
»Dann nehmen Sie sich zusammen. Tun Sie ganz normal, besonders wenn wir das Verwaltungsgebäude erreichen. Unterhalten Sie sich über das Wetter oder – noch besser – über die Flitterwochen, die Sie auf Chickladoria verbringen wollen.«
So kam es, daß die Gruppe, die schließlich das Verwaltungsgebäude betrat, ganz normal und ungezwungen wirkte. Das änderte sich, als man Graves' Privatbüro erreichte. Der dicke Mann hob die Augenbrauen.
»Ich bringe die beiden in mein Privatlabor«, sagte Fairchild, drückte auf den gelben Knopf und führte seine Begleiter zum Privatfahrstuhl. »Offen gesagt, ihr jungen Leute, ich habe Angst – ja, ich habe große Angst.«
Diese Aussage, die zutreffend und doch zugleich irreführend war, zerstreute den vagen Zweifel der beiden. Ahnungslos folgten sie dem Strahlungswissenschaftler in den Fahrstuhl und im Untergeschoß durch einen Korridor. Sie zögerten nicht, als er eine Tür öffnete; ohne eine Frage zu stellen, traten sie ihm voraus in einen Raum. Doch er folgte ihnen nicht. Statt dessen knallte er die schwere Metalltür hinter ihnen zu und schnitt damit Jacquelines durchdringenden Angstschrei ab.
»Hören Sie lieber gleich mit dem Lärm auf«, tönte es aus einem Lautsprecher in der Stahldecke des Raums. »Außer mir kann Sie niemand hören.«
»Aber Mr. Graves, ich dachte ... Dr. Fairchild hat uns doch gesagt, wir sollten ihm alles berichten, was sich ...«
»Sie werden niemandem etwas berichten. Sie haben zuviel gesehen. Sie wissen zuviel – das ist alles.«
»Aha, so liegt die Sache!« Ryders Blick trübte sich, als ihm die Bedeutung der Ereignisse klar wurde. »Aber hören Sie zu! Jackie hat überhaupt nichts gesehen! Sie hatte die ganze Zeit die Augen zu und weiß nichts. Sie wollen sich doch nicht den Mord an einem unschuldigen Mädchen aufs Gewissen laden – das weiß ich! Lassen Sie sie frei, sie wird nichts sagen – darauf schwören wir beide ...«
»Warum sollte ich? Nur weil sie ein hübsches Gesicht und eine gute Figur hat?« Der dicke Mann schnaubte höhnisch durch die Nase. »So geht das nicht, junger Mann. So gut ist sie nun auch wieder nicht ...« Er unterbrach sich, als Fairchild sein Büro betrat.
»Na, wie steht's? Wie schlimm ist es?« wollte Graves wissen.
»Gar nicht schlimm. Wir haben alles im Griff.«
»Hören Sie zu, Doktor!« flehte Ryder. »Sie wollen Jackie doch nicht etwa kaltblütig umbringen? Ich habe Graves gerade vorgeschlagen, daß er sich einen Arzt besorgen könnte ...«
»Sparen Sie sich den Atem«, gab Fairchild zurück. »Wir haben Wichtigeres zu bedenken. Ihr beide müßt sterben.«
»Aber warum?« rief Ryder. Er vermochte erst einen Teil der umfassenden Wahrheit zu erkennen. »Ich sage Ihnen doch, es ist ...«
»Wir lassen Sie raten«, sagte Fairchild.
Die Ereignisse der letzten Stunden waren zuviel für die Nerven des Mädchens;
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