Wächter des Mahlstroms
sich zu bringen, und der Kapitän ist so verängstigt, daß er sofort nach Vega zurückfliegt, und der Arzt ruft ein Krankenhaus an, damit eine Ambulanz bereitgestellt wird.«
»Eine interessante und rührende Geschichte, Vesta«, sagte Cloud auf Englisch, »aber in einer ziemlich rauhen Sprache erzählt. Schickt sich das für eine Dame?«
»Zum Teufel, wie soll ich denn sonst ...« Vesta wollte in der Raumsprache antworten, wechselte jedoch mühelos ins Englische über. »Wie soll sich eine Dame, so damenhaft sie auch sein mag, in einer Sprache ausdrücken, die abgesehen von ihrem technischen Vokabular im Grunde primitiv und vulgär ist. Nicht daß mir das etwas ausmacht ...«
Und damit hat sie wahrscheinlich recht, sagte sich Cloud. Wenn sie als Linguistin eine Sprache studierte, nahm sie das Problem wahrscheinlich als Ganzes und eignete sich dabei jede Nuance, jedes Idiom und jede Möglichkeit an.
»... jedenfalls ist die Sprache ausgesprochen unzureichend – es fehlt soviel! Thlaskin hat kürzlich bemerkt, daß es kein Wort für Maluleme als seine Frau gäbe. Und mein Bruder Zambkptkn – ich habe doch schon einmal von ihm gesprochen?«
»Ein- oder zweimal«, sagte Cloud trocken – die Untertreibung des Monats.
»Er ist Polizist – nicht gerade Polizeichef oder Inspektor, doch eine Mischung aus beidem, und in der Raumsprache habe ich nur eine Bezeichnung für ihn, im Englischen aber vier: ›Polizist‹, ›Cop‹, ›Bulle‹, ›Polyp‹ oder vielleicht sogar noch mehr. Was für eine Sprache! Doch ich habe meine Geschichte in der Raumsprache begonnen und will sie auch so beenden. Mal sehen, wie nahe ich dem komme, was ich wirklich sagen will.«
Sie kehrte zur Sprache des Weltalls zurück und fuhr fort:
»So erschien mein Bruder auf der Bühne. Das Krankenhaus rief natürlich die Bullen an, und er war mit der Ambulanz zur Stelle und kam an Bord. Er war drauf und dran, das Mädchen in den Bau zu stecken, aber als er ihren Bericht hörte und als sie ihm sagte, sie wollte solche Vergnügungsfahrten nie wieder mitmachen – lohnt sich nicht, sagte sie; sie wollte lieber Einsiedlerin sein, als sich noch einmal mit so übelriechenden Typen einzulassen. Daraufhin hat er sie natürlich ziehen lassen.«
»Er hat sie laufen lassen?« rief Cloud. »Warum denn das?«
Vesta sah ihren Kapitän mit aufgerissenen Augen unschuldig an. »Der Typ ist doch nicht gestorben, und außerdem wollte sie so etwas nicht wieder tun. Der Bursche war ohnehin nicht von der Vega und hatte also keine Verwandten oder Freunde, die sich für ihn eingesetzt haben. Und noch etwas – hätte der Kerl nur ein Fünkchen Verstand besessen, wäre er nicht weiter auf das Mädchen eingedrungen, nachdem sie ihm gesagt hatte, wie übel er stank. Was sollte mein Bruder also tun, Boss?«
»Ja, was wohl?« fragte Cloud auf Englisch. »Man lernt immer wieder etwas dazu. Kommen Sie, Joan. Wir wollen die unvorstellbare Kraft unseres Intellekts auf das unangenehme Problem der freien Atomwirbel konzentrieren.«
Unterwegs wandte sich Joan an ihn: »Unsere kleine Vesta hat Sie wohl ein bißchen überrascht, nicht wahr?«
»Sie nicht? Ich habe wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft geschnappt.«
»Ich eigentlich nicht. Ich kenne die Veganer ziemlich gut – und ich kenne mich mit Katzen aus: Geruchssinn und Gehör – sie können vierzigtausend Hertz wahrnehmen –; die Tatsache, daß sie sich geistig und physisch weit entwickelt haben, ehe sie wirklich geschlechtsreif sind; einige ihrer barbarischen Angewohnheiten – es ist manchmal geradezu ein Schock, festzustellen, wie seltsam manche veganischen Sitten erscheinen, wenn man sie mit den Gebräuchen auf anderen Welten vergleicht.«
»›Seltsam‹ – das dürfte das richtige Wort sein. Trotzdem mag ich diese Wesen.«
»Ich auch, Sturm«, erwiderte sie leise. »Immerhin sind es keine Menschen, doch Wesen, die nach den galaktischen Vorstellungen ebenso wertvoll sind wie der Mensch. Doch jetzt wollen wir uns wieder um die Atomwirbel kümmern.«
»O ja, Liebling«, sagte er und fuhr in Gedanken fort: »Liebling? Ich meinte aber ... mein Gott! Was für ein liebes Wesen Sie ...«
»Sturm!« rief Joan mit aufgerissenen Augen. »Sie senden ja!«
»Nein!« erklärte er und errötete. »Das kann ich doch gar nicht – Sie haben gelauscht!«
»Das stimmt nicht – ich habe seit Beginn unseres Gespräches nicht gelauscht! Irgendwann im Laufe unseres Gesprächs haben Sie den Durchbruch geschafft,
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