Wächter des Mythos (German Edition)
Schweigen.
»Ich verstehe nicht, warum du mich nicht gleich nach dem Mord in der Augustinergasse angerufen hast. Das hättest du mir geradewegs mitteilen müssen«, sagte sein Freund Frank etwas verärgert.
Gabriel schwieg, denn er hatte ein schlechtes Gewissen. Kurz darauf fuhr sein Freund mit ruhiger Stimme fort.
»Ich habe den Ort Mae Chaem, an dem du dich jetzt befindest, vor mir auf dem Monitor, doch das macht die Sache für mich nicht einfacher. Ein großes Tal, von Berghängen umgeben. Ihr seid von Chom-Thong aus durch den Nationalpark gefahren und habt den Doi Inthanon überquert. Ich sehe die Straße, wo ihr abgebogen seid. Oh … ! Die Straße hinauf zum Gipfel führt zu einem Militärstützpunkt. Dann sieht die Sache natürlich ganz anders aus. Nun, ich denke, es wäre klug, sofort nach Frankreich zu fliegen und dort mit der Suche zu beginnen. So habt ihr einen kleinen Vorsprung euren Gegnern gegenüber. Also in einer halben Stunde werde ich wissen, wie ich euch von dort verschwinden lassen kann. Macht euch jetzt bereit, das Haus zu verlassen, und packt schon mal die Sachen. Ich werde mich in einer halben Stunde wieder melden.«
Gabriel berichtete Alina, was er mit seinem Freund besprochen hatte. Sie begannen sofort zu packen. Genau eine halbe Stunde später meldete sich Frank per Mobiltelefon.
»Hallo, Gabriel. Also ihr beide müsst noch vor Sonnenuntergang auf dem Doi Inthanon sein. Fahrt jetzt los zu den beiden Pagoden, dort werdet ihr abgeholt. Das Ganze hat allerdings noch einen Haken, ihr müsst es bis zum Checkpoint alleine schaffen, dann seid ihr in Sicherheit.«
Verständnislos blickte Alina Gabriel ins Gesicht, als er ihr von Franks Plan berichtet hatte.
»Aber das ist doch Unsinn , wir fahren direkt in eine Sackgasse, aus der wir nicht mehr herauskommen. Sie brauchen uns nur zu folgen und dann haben sie uns. Sie können uns von beiden Richtungen des Berges in die Zange nehmen. Zudem ist das Straßenstück hinauf auf den Gipfel zu den Pagoden keine Durchgangsstraße, man kommt nicht weiter als bis zum Armeestützpunkt.«
Gabriel blickte sie besorgt an, dann zuckte er hilflos mit den Schultern. »Also, wenn dir sein Plan nicht gefällt, ich habe Vertrauen zu meinem Freund, denn er hat mir bisher immer geholfen.«
* * *
Sandino hatte sich auf den Weg nach Mae Chaem begeben und fuhr jetzt gemächlich durch den Nationalpark die immer steiler ansteigende Straße hinauf. Dabei dachte er an seinen Glauben und seinen Zwiespalt, in dem er sich mit der Kirche befand und den er selbstredend vor dem Papst und der Kurie im Vatikan verborgen hielt. Das geistige Ideal, die völlige Hingabe an die göttliche Kraft und an sein spirituelles Vorbild Jesus Christus, stimmten ja auch mit seinem Glauben überein. Doch da gab es so vieles, das seinen geheimen Zielen wie Berge im Wege stand. Wie ein Ritter mit hohen spirituellen Prinzipien kämpfte er jeden Tag für die Menschheit, für eine bessere Welt. Frei von Armut und Abhängigkeit sollte diese Welt sein, in der die Menschen selbstständig an ihrer geistigen Entwicklung arbeiteten und das eigene Seelenheil nicht arglos irgendeinem Guru oder Priester überließen. Doch das war in den Augen der Kirche buchstäblich Gift, denn ihr Leitspruch lautete: ›Mach dir die Welt zum Knecht …‹
Sandino fuhr gerade am Hauptoffice des Nationalparks vorbei, als sein Mobiltelefon läutete. Auf dem Display sah er, dass es ein Anruf aus dem Vatikan war. Er fuhr kurz entschlossen auf den Parkplatz der großen Esshalle, die bis auf ein paar Touristen leer war. Als er sich am Telefon meldete, war Josef Kardinal Walter am Apparat.
»Sandino, wo stecken Sie im Augenblick? Ich habe schon ein paar Mal probiert, Sie zu erreichen.«
»Ich befinde mich gerade vor dem Hauptoffice des Nationalparks Doi Inthanon. Vermutlich hatte ich vorher keinen Empfang.«
»Hat Ihr Ausflug denn mit Ihrem Auftrag zu tun?«, fragte der Kardinal gereizt.
»Selbstverständlich, Eure Eminenz, ich befinde mich gerade auf dem Weg zur Tochter von Dr. Bernard.«
»Ich wusste nicht, dass diese Alina Chanloy die Tochter dieses … alten Ketzers ist.«
»Sie trägt den Namen ihrer Mutter … Nun, wenn das alles war, weshalb Sie mich zu sprechen wünschten: Ich bin im Auftrag von Seiner Heiligkeit, dem Papst, zu ihr unterwegs.«
»Ich will Sie davon nicht abhalten, Sandino. Haben Sie schon etwas über diesen Hö…, diesen Diaz in Erfahrung bringen können?«
»Ja«, antwortete Sandino. Er
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