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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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aufgebaut. Vor der Erstarrung hatten wir vierzehn Millionen Tiere pro Tag geschlachtet und fünfundzwanzigtausend Menschen hier beschäftigt. Natürlich verarbeiten wir jetzt nur noch einen Bruchteil davon. Überhaupt können wir von Glück sagen, dass die Höfe immer ausgelastet waren. Wenn es uns nämlich nicht gelungen wäre, die Tiere auf den Koppeln zu vermehren, wären wir in ein paar Jahren verhungert. Nun versorgen wir mit den Fleischwaren sogar die alte Stadt. Und wir müssen sie nicht einmal einfrieren. Mutter Natur erledigt das für uns.«
    Während sie sprach, beobachtete Bisesa den Horizont. Jenseits des Farmlandes sah sie etwas, das wie eine Herde von Elefanten, Mammuts oder Mastodonten aussah, die stolz und majestätisch nach Süden wanderten. Es war eine erstaunliche Vorstellung, dass, wenn sie diesen stoischen Mastodonten folgte, den ganzen Weg bis zur Küste des Ozeans zurücklegen
konnte, ohne irgendein Menschenwerk zu erblicken - nicht einmal einen Fußabdruck im Schnee.
     
    An diesem Abend zog Bisesa sich früh ins gemeinsame Hotelzimmer zurück. Sie war von der Reise erschöpft. Aber sie hatte Schwierigkeiten einzuschlafen.
    »Morgen ist ein anderer Tag, und ich weiß wieder nicht, was, zum Teufel, er mir bringen wird«, sagte sie flüsternd zum Telefon. »Ich bin schon zu alt für so einen Mist.«
    »Wissen Sie eigentlich, wo wir sind?«, murmelte das Telefon. »Ich meine genau hier, an diesem Ort. Wissen Sie, was daraus geworden wäre, wenn die Diskontinuität nicht dazwischen gefunkt hätte?«
    »Mach’s nicht so spannend.«
    »Graceland. Elvis’ Anwesen.«
    »Du machst Witze.«
    »Doch nun wird Memphis niemals existieren.«
    »Scheiße. Dann sitze ich also auf einer Welt ohne Myra und Diät-Cola und Tampons fest und werde obendrein über eine Eiskappe zu den Ruinen einer Stadt aus dem 19. Jahrhundert pilgern. Und jetzt sag mir nur noch, dass der König nie geboren wird.« Unvermittelt brach sie in Tränen aus.
    Das Telefon spielte sie mit Elvis-Songs in den Schlaf.

{40}
SONNENLICHT
    Mai 2070
     
    Um der mysteriösen Vorladung von Athene Folge zu leisten, kehrte Myra nach Lowell zurück und wurde in die Marsumlaufbahn gebracht, wo sie wieder an Bord des Lichtschiffs James Clerk Maxwell ging.
    Und dann entschwebte sie auf fahlem Sonnenlicht zu einer wochenlangen Reise zurück zur Erdumlaufbahn - aber nicht zur Erde selbst.
    »L5«, erklärte Alexej Carel sie auf. »Ein gravitationsstabiler Punkt sechzig Grad hinter der Erde.«
    »Ich habe eine Raumfahrt-Laufbahn absolviert«, sagte Myra gereizt. »Ich kenne die Grundlagen.«
    »Verzeihung. Ich wollte Sie nur vorbereiten.«
    Es machte sie rasend, dass er nicht ganz mit der Sprache herausrückte und sich wieder in sein Schneckenhaus der Geheimhaltung zurückzog.
    Sie waren diesmal zu dritt an Bord der Maxwell . Myra war überrascht, dass Juri O’Rourke sich von seiner Mission auf dem Mars losgeeist hatte.
    »Ich würde mich nicht direkt als Leiter von Wells Station bezeichnen«, sagte er langsam. »Ich meine, so lautet zwar mein formaler Titel auf den Verträgen, die wir mit unseren Sponsoren, den Universitäten und wissenschaftlichen Stiftungen auf der Erde und dem Mars unterzeichnet haben. Aber die anderen würden mich lynchen, wenn ich mich wie ihr Anführer aufführen würde. Diese Sache betrifft offensichtlich auch die
Station. Und mein Instinkt sagt mir, dass ich Sie besser begleiten sollte.«
    »Ich freue mich jedenfalls, Sie dabeizuhaben.«
    »Okay«, sagte er grantig. »Aber wie ich Ihnen schon sagte, meine Eiskerne sind viel interessanter als alles, was die verdammten Erstgeborenen aushecken.«
    Juri war in der Maxwell nicht gut aufgehoben. In der Enge des Wohnbereichs im Lichtschiff nahm er viel Platz in Anspruch - ein Bär von einem Mann mit dem dichten zurückgekämmten Haar, dem Rübezahlbart und dem stattlichen Bauch. Und er grämte sich, weil er von seinem geliebten Mars getrennt war. Die meiste Zeit sendete er Kontrollmitteilungen an Wells, um sich zu vergewissern, dass seine Leute die routinemäßige Überwachung, Probenentnahme und Wartung aufrechterhielten. Und er versuchte seine eigene Arbeit zu erledigen; er hatte seine Softscreens und ein kleines tragbares Labor dabei und sogar ein paar Bohrkernproben aus Mars-Eis. Doch mit der Zeit trübte seine Stimmung sich zusehends ein. Er war zwar kein schlechter Gesellschafter, zog sich aber immer mehr in sich zurück.
    Und was Alexej betraf, so war er ebenso verschlossen wie

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