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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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Wollen wir etwa so die Zukunft meistern?«
    »Seien Sie nicht ungerecht, Myra«, murmelte Juri. »Die Spacer tun ihr Bestes. Und sie liegen wahrscheinlich richtig mit ihrer Vermutung, wie die Erde reagieren würde.«
    »Was sollten wir also Ihrer Meinung nach tun?«
    »Sich an den Marsianern ein Beispiel nehmen«, sagte Juri. »Sie haben ein Auge gefangen - sie haben zurückgeschlagen.« Er lachte bitter. »Somit befindet das einzige technische Exponat der Erstgeborenen, über das wir verfügen, sich auf dem Mars unter meiner Eiskappe.«
    »Ja«, sagte Athene. »Es scheint, dass der Fokus dieser Krise der Mars-Pol ist. Ich möchte, dass Sie dorthin zurückkehren, Myra.«
    Myra ließ sich das durch den Kopf gehen. »Und wenn wir dort angekommen sind?«
    »Dann müssen wir wieder warten«, sagte Athene. »Der weitere Fortgang der Ereignisse entzieht sich weitestgehend unserem Einfluss.«
    »Und wer führt dann Regie?«
    »Bisesa Dutt«, murmelte Athene.
    Ein Alarm ertönte, und die Wände blinkten rot.
    Lyla tippte auf ihr Ident-Pflaster und lauschte in die Luft. »Es sind die Astropol-Polizisten unten auf dem Erd-Deck«, sagte sie. »Wir müssen eine undichte Stelle haben. Sie haben es auf Sie abgesehen, Myra.« Sie stand auf.
    Myra folgte ihrem Beispiel. Sie war wie betäubt. »Sie haben es auf mich abgesehen? Wieso?«

    »Weil sie glauben, dass Sie sie zu Ihrer Mutter führen werden. Sehen wir zu, dass wir von hier verschwinden. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
    Sie verließen eilig den Raum, und Alexej erteilte mit leiser Stimme der Maxwell Anweisungen .

{45}
BURGERMEISTER
    Shopping in Chicago war erstaunlicherweise noch immer möglich. Man konnte auf der Michigan Avenue und den anderen Einkaufsmeilen flanieren und einen Schaufensterbummel bei Geschäften wie Marshall Field’s machen, wo ein breites Warenangebot präsentiert wurde und Schaufensterpuppen mit Anzügen, Kleidern und Mänteln zu bestaunen waren. Es gab Pelzmäntel und Stiefel und sonstige Winterbekleidung zu kaufen; doch Emeline hatte nur Augen für »die Mode«, wie sie sie nannte und die sich als Konfektion der 1890er erwies, die damals aus einem verschwundenen New York oder Boston eingeführt und seitdem liebevoll bewahrt und immer wieder geflickt und ausgebessert worden war. Bisesa sagte sich, dass Emeline bei einer Konfrontation mit der Modernität auf der Erde zweiunddreißig Jahre später und im sinnenfrohen Jahr 1926 wohl die Welt nicht mehr verstanden hätte.
    Also kauften sie ein. Aber die von Marshall Field’s abzweigende Straße wurde halb durch den mumifizierten Kadaver eines Pferdes versperrt, das an der Stelle festgefroren war, an der es stürzte. Das Licht in den Fenstern stammte von qualmenden Kerzen aus Robben-und Pferdefett. Es waren auch einige junge Menschen zu sehen, von denen die meisten aber in den Läden arbeiteten. Alle Einkäufer waren alt, wie Bisesa feststellte - in Emelines Alter oder älter, Überlebende der Diskontinuität , die in diesen schäbigen Relikten einer verlorenen Vergangenheit stöberten.
     
    Das Büro von Bürgermeister Rice befand sich in den Tiefen des Rathauses.

    Unbequeme Lehnstühle waren vor einem Schreibtisch aufgestellt worden. Bisesa, Emeline und Abdi saßen in einer Reihe da, und man ließ sie warten.
    Dieser Raum war nicht isoliert wie Emelines Wohnung. Die Wände wurden von einer Vliestapete und Porträts historischer Würdenträger geziert. Ein Feuer loderte in einem Ofen, und es gab sogar eine Zentralheizung. Ein massiver Heizkörper aus Eisen, der sicher von einem Holz fressenden Ungetüm im Keller gespeist wurde, spendete eine trockene Wärme. Und es hing ein Telefon an der Wand - ein vorsintflutlicher Apparat, der nicht mehr darstellte als einen Kasten mit einem Sprachrohr und einem Hörrohr. Auf dem Kaminsims tickte eine Uhr, die stur nach Chicagoer Standard-Eisenbahnzeit ging: vier Uhr nachmittags wie seit zweiunddreißig Jahren und der herrschenden Meinung der Weltöffentlichkeit zum Trotz.
    Bisesa war irgendwie froh, dass sie sich - wie Abdi - entschieden hatte, ihre purpurrote babylonische Kleidung zu tragen, obwohl Emeline ihr einen »formelleren« Bekleidungsvorschlag unterbreitet hatte. Das war eine bewusste Entscheidung, um ihre Identität an diesem Ort zu bewahren.
    »Das ist also ist das Chicago der 1920er-Jahre. Als ob jeden Moment Al Capone zur Tür hereinkommen würde.«
    »1894 war Capone in New York«, murmelte ihr Telefon. »Er könnte jetzt gar nicht hier sein

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